Kreuzberger Chronik
Juni 2023 - Ausgabe 250

Mühlenhaupts Erinnerungen

Der Putzteufel


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von Kurt Mühlenhaupt

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Frau Funke war eine andere Art Sammlerin meiner Kunst. Sie kam in meine Trödelhandlung und hatte sich in eins meiner Bilder verliebt. Zu der Zeit war ich froh, wenn sich auch mal eine Mami einen derartigen Wunsch erfüllen wollte. Ich zeigte ihr eine kleine Parklandschaft. Aber sie blieb bei einem Bild mit vielen Blumen.

»Mein Gott, Sie suchen sich ja das Teuerste aus!« , sagte ich. »Aber Sie sind ein alter Kunde und bekommen das Bild zehn Mark billiger. Hundert Mark kostet es für Sie!«

»Vor einem Jahr kosteten die doch nur fünf Mark!« , erwiderte sie.

»Da war auch weniger drauf!«, sagte ich. »Aber gut, ich lasse es Ihnen für fünfzig.«

Sie zahlte und verschwand damit. Ich hatte lange Zeit meine Ruhe. Nach einem Jahr stand sie wieder vor mir und sagte:

»Ja sehen Sie mal, Herr Mühlenhaupt, ihr Bild hat ein Loch!«

»Ja, hat denn jemand reingestochen?«

»Nein«, sagte sie.

»Was ist denn damit passiert?«, wollte ich wissen

»Da war ein hässlicher Farbpickel drauf!«, sagte sie. »Ich habe ein wenig darauf rumgekratzt und dann war das Loch drin. Sie müssen es reparieren«.

Es stellte sich heraus, daß sie ein Putzteufel war und Opfer ihrer Leidenschaft wurde.

»Der Pickel gehört doch zum Bild!«, sagte ich

»Ich hab mich ständig darüber geärgert und so lange darauf rum geribbelt, bis das Loch drin war«, erwiderte sie.

»Verdammt, ich sage es Ihnen noch einmal!«, rief ich ärgerlich. »Ich schmiere Ihnen das Loch zu, und Sie gehen mir da nicht mehr ran.« Ich kratzte einen dicken Haufen Palettendreck zusammen und klat-schte das Loch damit zu.

»So«, sagte ich, »ich habe den Pickel gleich ein wenig dicker gemacht. Da sehen wir uns erst in ein paar Jahren wieder, denn Sie werden es ja doch nicht lassen, so lange darauf rum zu kratzen, bis ein neues Loch da ist.«


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