April 2022 - Ausgabe 238
Literatur
Erinnerungen an Bernd alias Schnafte ![]() von Anja Kießling |
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Musik gemacht, geliebt, gelacht. Und heute? Manchmal bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Wegen all jenen, die nicht mehr hier sind. Ich höre gerade »Funny Valentine«. Jedesmal, wenn das Saxofon einsetzt, denke ich daran, wie schön es damals war mit Schnafte zu spielen, Saxofonist und Geigenbauer, Spezialist für Kontrabässe und ein Herzensmensch. Und wie toll es war, als wir zusammen bei der Band Sportpalast gespielt haben und er uns mit seinem großem Citroen bei Armin im Kraichgau rumgefahren hat [...] Der Klang, die heiße Luft, der Ansatz, der Ton, die Liebe zur Musik, die er hatte. Sein großes Herz und seine integres Wesen! Wir hatten zeitweise zusammen eine kleine Bebop-Band – so klasse! Und dann die Zeit bei ihm in seiner Werkstatt in Kreuzberg am Paul-Lincke-Ufer. Bemerkenswert. Für mich war der Ort ein Anknüpfungspunkt. Hier lernte ich Schlagzeug. Schnafte und sein Laden waren ein Mittelpunkt für viele Musiker, die bei ihm ein- und ausgingen. Neben seiner Werkstatt hatte er einen kleinen Ladenraum mit lauter Akustik-Gitarren, (K.Yairi und andere) die alle an der Wand hingen! Die Jungs kamen immer nachmittags zum »Testen« vorbei und verbrachten dort ihre Zeit mit Guitarjams. Bernhard sah es mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn die Gitarren wurden zerschrammt und sollten doch eigentlich verkauft werden. Aber er mochte die Jungs. Ich durfte dort eine Zeit lang Plektren und Saiten verkaufen und er arbeitete nebenan in seiner Werkstatt. Er öffnete, operierte, behandelte, leimte, schliff und lackierte die riesigen Kontrabässe, richtete die Griffbretter ab... . Der Duft von Holz und Leim, der auf der Werkbank leise simmerte, war so aromatisch und besonders - unvergesslich. Ich durfte tief ins Innere der großen Bässe blicken und Geschichten über Hölzer hören und wie selten sie inzwischen waren. Bernhard war lange der »Hoflieferant« einiger renommierter Berliner Konzerthäuser. Und er fuhr oft über Land, um alte Instrumente zu »retten«. Als er 2018 starb, hinterließ er vier Kinder und seine Lebenspartnerin Eli, die seine letzte, wunderbar eingerichtete Werkstatt als kleines »Museum« hütet, draußen auf dem Land in Brandenburg. Wir haben sie letztes Wochenende besucht und restliche Speaker-Kabinetts und Musikkram abgeholt, die sie auf den Sperrmüll werfen wollte. Das war an dem Tag vor dem großen Sturm »Sabine«. Wenn ich heute das Saxofon höre bei »Funny Valentine«, gespielt von Rolf Römer, recorded von seinem Sohn Patrick Römer, merke ich dass ich ins Träumen komme, erst kommt die Gänsehaut, dann kullern die Tränen... Entnommen aus Anja Kießlings unveröffentlichtem Manuskript, Berlin, 2022 |