Kreuzberger Chronik
Juni 2020 - Ausgabe 220

Kanzlei Hilfreich

Hilfreich und die goldenen Achtziger


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von Kajo Frings

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Herr Strack vom Südstern war ein Mensch, der immer wieder auf neue Ideen kam. So zum Beispiel auch, als er feststellte, dass sein BMW aus den 70er Jahren serienmäßig ein Loch im Kofferraum hatte, direkt über dem Auspuff.

Nun besaß Herr Strack nicht nur einen BMW, sondern auch ein Gemälde von Emil Nolde. Marktwert laut Gutachten 980.000 DM. Herr Strack versicherte das Kunstwerk, meldete es zur Versteigerung in einem Pariser Auktionshaus an und fuhr los. Auf der Transitstrecke tankte er kostengünstig voll und ließ den Reservekanister auffüllen. Aber irgendeiner von diesen Ossis musste den Verschluss nicht richtig zugedreht haben: Der Kanister kippte, Benzin tropfte durch das Loch auf den Auspuff, worauf es hinter Helmstedt zur Explosion kam.

Herr Strack kam mit einem blauen Auge davon. Aber er erhielt eine Anzeige wegen versuchten Versicherungsbetrugs und beschwerte sich bei Hilfreich. Der fragte sich, weshalb der Herr Strack einen Brand vortäuschen sollte, wo er doch in Paris weit mehr als 980.000 DM für sein Bild erhalten hätte. Und nahm das Mandat an.

Stutzig wurde er erst beim Gerichtstermin, als der Sachverständige der Polizeitechnischen Untersuchungsanstalt mit einem Benzinkanister und einer elektrischen Herdplatte in den Gerichtssaal kam. Der Richter bestand darauf, dass die Beweiserhebung außerhalb des Gerichtssaales stattfand. Im Innenhof von Moabit wurde die Herdplatte angeschlossen, bis sie glühte. Der LKA-Sachverständige goss Benzin drauf und es verpuffte.

Hilfreich hielt ein ziemlich hilfloses Plädoyer. Es half nichts. Strack wurde wegen versuchten Versicherungsbetruges verurteilt, vollendeter Brandstiftung und und und... - Ergebnis: 4 Jahre!

Hilfreich haderte mit sich und dem harten Urteil und riet Herrn Strack für die nächste Instanz zu einem anderen Anwalt. Es kam zur Berufungsverhandlung, die Strack auf freiem Fuß verlassen konnte.

Hilfreich erfuhr davon aus der Zeitung. Von dem Gemälde hatte es in Wirklichkeit nur einen Rahmen mit leerer Leinwand gegeben und ein falsches Gutachten.

Aber Herr Strack hatte die Brandstiftung gestanden. Dies wirkte sich strafmildernd aus. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft kam er auf Bewährung frei. Jens Hilfreich fühlte sich betrogen und versuchte, seinen Honoraranspruch zu vollstrecken. Vergeblich. Herr Strack lebe nunmehr auf einem Campingplatz in der Lüneburger Heide, besaß nichts weiter als einen Campingwagen und war nachweislich erwerbsunfähig, nachgewiesen durch ein Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. Erwin Schlenger.

Jens Hilfreich buchte sein Honorar in der Abteilung »Selber schuld« ab. •


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