Kreuzberger Chronik
März 2018 - Ausgabe 197

Briefwechsel

Ich bin begeistert - Evelyn Wagner zum Leserbrief aus Nr. 196


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von Evelyn Wagner

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Sehr geehrte Redaktion des Extrablattes,
Ich kann die Kritik von Herrn Kurz in der letzten Ausgabe nicht nachvollziehen. Ob schwarz oder weiß, ob bunt oder nicht: Ich bin vom Extrablatt II geradezu begeistert. Ich finde alle vier Artikel interessant und gut geschrieben und wüsste nicht, weshalb ich noch teure Zeitungen kaufen sollte, wenn es derlei Qualität jetzt schon kostenos gibt.

Wahrscheinlich gehört Herr Kurz noch jener Generation an, die in der heimischen Besenkammer Schwarz-Weiß-Filme entwickelte. Trotzdem müsste auch ihm beim Anblick eines solchen Titelbildes wie dem des verschneiten Tempelhofer Feldes unter dem strahlend blauen Himmel einfach das Herz aufgehen. Stattdessen ärgert er sich nur! Machen Sie weiter so! Evelyn Wagner


Sehr geehrte Frau Wagner!

Vielen Dank für Ihre engagierte Verteidigungsrede. Wir wünschten, es wäre öfter so, dass Leser uns verteidigen.

Leider müssen wir uns meist selbst wehren. Wir sind mit 3000 gedruckten Exemplaren pro Monat zwar nur eine journalistische Piepsstimme, dennoch werden wir offensichtlich ernst genommen und geraten immer wieder ins Kreuzfeuer. Oft sind es nur persönliche Antipathien, die den Ausschlag geben. Wir schreiben ja nicht über berühmte Persönlichkeiten aus Politik und Showbusiness, sondern über Nachbarn und Menschen, mit denen jeder sprechen kann, und die der eine oder andere Leser womöglich auch persönlich kennt.

So kann bei uns jeder mitreden, und so kommt es immer wieder vor, dass sich ein Leser entrüstet, weil ihm der Salat nicht geschmeckt hat, obwohl wir ihn gut fanden. Oder weil eine Leserin den Musiker, den wir so begeistert porträtiert haben, nicht leiden kann, weil der Musiker seine Freundin betrogen hat. Das ist zu verschmerzen.

Wirklich enttäuscht aber sind wir, wenn man uns - trotz vieler Artikel über jüdische Unternehmen und Persönlichkeiten in Kreuzberg - plötzlich des Antisemitismus verdächtigt, nur weil wir unter den Gentrifizierern auch einen israelischen Investor erwähnt haben. Oder wenn man uns eine rassistische Haltung vorwirft, nur weil wir gegen Neubauten und damit auch gegen Flüchtlingsunterkünfte auf dem Friedhof sind, - obwohl wir seit zwanzig Jahren Menschen aus aller Welt porträtieren.

Wahrscheinlich wird uns auch das Interview zum Thema „Begegnungszone“ böse Leserbriefe einbringen: Denen, die möchten, dass alles beim Alten bleibt, wird unser Beitrag zu freundlich sein. Den anderen, die für Veränderungen sind, wird er zu mürrisch sein. Doch wie dem auch sei: Schreiben Sie! Wir freuen uns über jeden Leserbrief! die Redaktion


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