Kreuzberger Chronik
Juni 2015 - Ausgabe 170

Geschichten & Geschichte

Die alten Kreuzberger Bäder


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von Werner von Westhafen

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Das schönste Flussbad Kreuzbergs wurde 1895 am Ende der Cuvrystraße eröffnet. Die »Doppelbadeanstalt« für Männer und Frauen war mit Baukosten von 100 000 Mark auch das teuerste städtische Bad. Der prächtige Holzbau mit einem Türmchen in der Mitte und mit Zypressenschindeln auf dem Dach (vgl. Kreuzberger 169) musste 1922 abgerissen werden. Mehrfach war das Bad von unvorsichtigen Schiffern gerammt worden, denen das schwimmende Bauwerk ohnehin im Weg gewesen war.

Die Luisenstädter, die auf den Luxus beim Baden nicht verzichten wollten, mussten bis zur Friedrichstraße fahren, wo das Admiralsgarten-Bad mit seinen römisch-irischen Bädern auch spät nachts noch geöffnet hatte, in dem die feineren Damen und Herren nach dem Bade in die Sauna gehen, im Badrestaurant Zigarren schmauchen und Wein trinken konnten.

Der hölzerne Badetempel an der Cuvrystraße und das Luxusbad an der Friedrichstraße waren jedoch Ausnahmen. Im Gegensatz zu den Alten Römern, die seit Jahrhunderten eine luxuriöse Badekultur pflegten, dienten die preußischen Badeanstalten zuerst einmal der körperlichen Ertüchtigung und später der notwendigen Hygiene. Bereits 1853 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet, die »der nachteiligen Einwirkung ungesunder Wohnungen durch Hebung der Reinlichkeit zu begegnen« versuchte und Bäder propagierte, deren niedrige Eintrittspreise »allen Bevölkerungsschichten Zugang« zu Badeanstalten verschaffen sollten. Tatsächlich eröffnete die AG in der August- und in der Schillingstraße bald zwei beliebte Volksbäder, Jahre später versuchte auch ein »Verein für Berliner Volksbäder« mehr Bademöglichkeiten für die unsauberen Berliner zu bauen.

Doch nicht alle, die Bäder eröffnen wollten, taten das aus sozialem Engagement. Die meisten dachten an die Rendite. So auch der Schwimmlehrer Auerbach, der in der Luisenstadt gleich drei Schwimmschulen auf Badeschiffen eröffnen wollte: Im Engelbecken und im Wassertorbecken des Luisenstädtischen Kanals, sowie an der Kottbusser Brücke des Landwehrkanals. Bei der königlichen Baukommission wuchsen nach anfänglicher Begeisterung Zweifel, ob Auerbach tatsächlich »die Absicht hat, einem allgemeinen Bedürfnis abzuhelfen«, oder ob es ihm nur darum geht, »sich eine Erwerbsquelle zu besorgen.« 50 Pfennige sollte die Schwimmstunde bei ihm kosten, während die Stunde in der Berliner Schwimmschule am Stralauer Tor für Kinder nur 10 und für Erwachsene 20 Pfennige kostete.

Dennoch erhielt Auerbach Baugenehmigungen für das Engelbecken und das Wassertor. Im Eisfabrikanten Hugo Probandt fand er einen finanzkräftigen Kompagnon, und im Sommer 1882 wurden nach nur einmonatiger Bauzeit zwei Badeschiffe in Betrieb genommen. Sechs Jahre später erhielt Auerbach sogar eine Genehmigung zur Aufstellung eines Kassenhäuschens am Wassertor, der Eintritt betrug jetzt bereits 2 Mark. Die Schule wurde zum Schwimmbad, Badegäste kamen in Scharen. Mitunter ging es so turbulent zu an Bord, dass eines Tages der Bierkrug des Bademeisters einem Gast auf den Kopf fiel. Da sich niemand für den Bierkrug verantwortlich zeigte, wurde Anzeige gegen die Luisenstädtische Schwimmschule erstattet. Auch mit den Ingenieuren Siemens & Halske, die bereits an ihrer Hochbahn bauten, gerieten Auerbach und Probandt in Streit, da die Badegäste sich durch die neugierigen Blicke der Arbeiter belästigt fühlten. Sie verlangten von Siemens, Sichtblenden vor der Baustelle aufzustellen.Als die Polizei darauf verwies, dass die Badeanstalt ohnehin erst wieder im Sommer eröffne, forderten sie Schadensersatz für entgangene Einnahmen im Sommer durch die Bauarbeiten am Wassertor. Die ehrgeizigen Kleinunternehmer kämpften um jeden Groschen.

Auf den Auerbach´schen Badeschiffen badete man dessen ungeachtet freudig weiter. 1895 zählte man an schönen Tagen durchschnittlich 150 Besucher, und als 13 Jahre nach der Eröffnung die Pfahlbauten im Wasser überprüft wurden, stellte sich heraus, dass die Anstalten, die der Hygiene hatten dienen sollen, selbst unter einem gewissen Hygienmangel litten. Insbesondere die Toiletten bereiteten den Inspektoren Sorgen, da die Pissoirs direkt ins Wasser entleert und die anderen Hinterlassenschaften der Badegäste in Tonnen gelagert wurden. Besonders im Engelbecken hatte die Wasserqualität erheblich nachgelassen, zumal ein Notauslass der Berliner Kanalisation ins Bec-ken mündete, sodass »nach kräftigen Regengüssen« und einer Überlastung der unterirdischen Kanäle »auf dem Engelbecken größere Mengen von menschl. Exkrementen und sonstigem Koth« trieben.

Die Badeschiffbesitzer wurden dazu angehalten, für mehr Sauberkeit zu sorgen. Tatsächlich schienen die Bademeister nun die Urinkübel nicht mehr ins Engelbecken, sondern in die Closettonne zu entleeren, die in den Nachtstunden auf einem Handwagen bis nach Treptow transportiert wird. Eine polizeiliche Kontrolle über die Einhaltung der Hygienevorschriften aber sei nicht möglich, heißt es aus dem 42. Polizeirevier. Dazu müsste den ganzen Tag über ein Wachtmeister dort positioniert werden, und man befürchte, dass die Beamten »von den Angestellten dem Publikum gegenüber lächerlich gemacht werden.« Der Sommer des Jahres 1904 war der letzte, in dem die Berliner im Engelbecken und am Wassertor baden konnten. Im April des Jahres 1904 heißt es in einem Polizeibericht, dass »die Beschaffenheit des Wassers… nicht unerheblichen gesundheitspolizeilichen Bedenken« unterliegt. Im Sommer des selben Jahres wurde das Baden wurde nur noch an besonders heißen Tagen gestattet, und schon im Herbst wurden Auerbachs Schiffe wieder abgerissen. •

Literaturnachweis: Dr. Klaus Duntze, Der Luisenstädtische Kanal, 2011

Dieter Kramer - Kreuzberger Stadtteilgeschichte

Auerbachs Louisenbad - Schwimmschule für Frauen und Männer, um 1900





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