Kreuzberger Chronik
Juni 2009 - Ausgabe 108

Briefwechsel

Bilder zweier Ausstellungen


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von Petra Steinbach

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Frau Steinbach schrieb zu den Ausstellungen im Kreuzbergmuseum und im Restaurant »Z«

Sehr geehrte Redaktion!
In der Kreuzberger Chronik vom Monat Mai empfehlen Sie zwei Ausstellungen: Im Kreuzbergmuseum Michael Hughes‘ »Ethnicity«, sowie Sönke Tollkühns Porträts von Kiezgrößen bei unserm Griechen in der Friesenstraße. Erlauben Sie mir die Frage, ob eine der beiden Ausstellungen nicht genug gewesen wäre? Zumal wir ja in dieser Stadt ständig mit Gesichtern überschwemmt werden. Wowereits blödsinnige Berlin-Reklame zeigt uns statt des Brandenburger Tors oder des Wannsees lauter Gesichter! Auch die zitty hatte die Stadt monatelang mit Gesichtern zuplakatiert. Was soll dieser blödsinnige Personenkult?
Trotzdem habe ich mir die empfohlenen Ausstellungen angesehen. Die eine bei Nacht auf einem Spaziergang übers Kottbusser Tor, die andere beim Essen. Und wenn ich beide miteinander vergleichen müsste, dann wüsste ich nicht. Michael Hughes‘ Bilder scheinen mir etwas hastig zu sein, auch passen sie nicht so richtig ins Fenster des Treppenhauses. Jedes Porträt geht über zwei Scheiben und ist in der Mitte durch eine Strebe des Fensterrahmens unterbrochen. Ob das nun beabsichtigt oder ein Zufall war, erschließt sich dem Betrachter nicht. Trotzdem ist der erleuchtete Turm mit den Kreuzberger Porträts am Abend ein Erlebnis, die Porträtierten wirken authentisch und unverstellt. Witzig ist auch, dass die Leser der Kreuzberger Chronik viele dieser Kreuzberger bereits kennen: Sie alle waren schon mal auf der Titelseite der KC.
Während Michael Hughes auf eine Inszenierung bewusst verzichtet und Menschen zeigt, wie sie sind, hat Sönke Tollkühn seine Kreuzberger in Szene gesetzt. Sie sind gut ausgeleuchtet, nehmen Posen ein, haben nicht zufällig ein weißes Hemd an oder den Hund dabei. Tollkühns Bilder machen aus den einfachen Leuten, die wir von der Straße und als Stammgäste bei Jorgos kennen, eindrucksvolle Persönlichkeiten. Es sind Starporträts ohne Stars. Man erkennt sie kaum wieder: den Kerzenverkäufer aus dem Kiez, den Zopfträger vom Mieterrat, die Designerin Vera Breitenbach aus der Bergmannstraße. Und während ich im »Z« mein Bifteki aß, dachte ich mir, dass diese ständigen Ausstellungen von Gesichtern zwar inflationär, aber eigentlich doch ganz interessant sind. Zumindest, wenn man die realen Gesichter eben auch kennt. •
Mit freundlichen grüßen, petra steinbach

Sehr geehrte Frau Steinbach,
Haben Sie vielen Dank für Ihre ausgewogene Kritik. Wir hoffen, dass auch die Fotografen ihrem Urteil zustimmen werden. Die Karten für das Mehringhoftheater sind Ihnen jedenfalls sicher. Wir wünschen viel Vergnügen.
Die Redaktion


PS: Das »Mehringhoftheater« und die »Kreuzberger Chronik« vergeben jeden Monat zwei Freikarten für den Schreiber des originellsten Leserbriefes.


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