Kreuzberger Chronik
Juli 2009 - Ausgabe 109

Briefwechsel

Ordnung muss sein


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von Olaf Dähmlow

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Olaf Dähmlow zum Thema Ordnungsamt Kreuzberger Chronik vom Juni 2009

Liebe Kreuzberger Chronik, ich weiß gar nicht, was Ihr wollt: Seit es das Ordnungsamt gibt, sehe ich weder Hundehaufen noch frei herum laufende Hunde. In den Parkanlagen ist Ruhe eingekehrt. Es liegt kein Müll mehr herum, selbst die Ratten haben sich verkrümelt. In der Öffentlichkeit wird nicht mehr gesoffen und nicht mehr gegrölt, überall die schönste Idylle.
Auch an den Bushaltestellen oder vor dem Rathaus gibt es kein unappetitliches Publikum mehr. Keinerlei Zusammenrottung bedrohlich wirkender Jugendlicher oder bettelnde Mitbürger, und keine Bettler, die ihre Frauen samt Kindern auf die Straße setzen.
Es wird auch nirgends mehr in zweiter Reihe geparkt, um mal schnell etwas einzuladen. Auch Parkplätze gibt es jetzt genug, die Zeiten, als Polizisten morgens in aller Herrgottsfrühe verzweifelten Falschparkern Strafzettel unter die Scheibenwischer klemmten, sind endgültig vorüber. Nie hinterlässt das Ordnungsamt den Eindruck, es ginge nur ums Abkassieren. Sogar gegenüber den Gastronomen ist man seitens des Ordnungsamtes großzügig. Kleine Klapptafeln werden durchaus akzeptiert, und sollten doch einmal zwei Stühle zu viel auf dem Bürgersteig stehen, wird niemals mit dem Zollstock hantiert.
Ohnehin machen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes einen freundlichen und großherzigen Eindruck. An verdeckt arbeitende Zivilbeamte, die sich zur Kontrolle des Rauchverbotes in die Kreuzberger Lokale einschleichen, ist gar nicht zu denken. Die neuen Beamten haben begriffen, dass sie im Interesse der Bürger handeln und nicht ausgeschickt wurden, um Unschuldige zu schikanieren. Wenn Beamte in Uniform sich als Funktionäre einer Obrigkeit aufführen würden, dann wäre das ungefähr wieder das, was wir aus den dreißiger Jahren kennen.
Doch das alles ist heute anders. Vernünftige Politik, gesunder Menschenverstand und tolerantes Vorgehen unserer Beamten haben endlich ihre Wirkung gezeigt!
Olaf Dähmlow, Yorckschlösschen

Sehr geehrter Herr Dähmlow,
wir können Ihren Unmut gut verstehen. Wie wir aus sicherer Quelle erfahren haben, sind in den letzten Wochen bereits mehrere Wirte Opfer hinterhältiger Anschläge geworden. Sogar von alteingesessenen Stammgästen, die sich zu später Stunde am Tresen einfanden, um die Dienstmarke zu ziehen und Anzeige wegen Verstoßes gegen das Nichtrauchergesetz zu erstatten, wurde berichtet.

Solches Verhalten ist nicht nur Schikane, es erinnert an die Bespitzelung und Verfolgung von Zivilisten durch Handlanger totalitärer Staatsformen. Wir halten solche Vorkommnisse und Verhaltensweisen für sehr bedenklich, hoffen jedoch, dass die Freikarten für das Mehringhoftheater Sie wieder zum Lachen bringen werden.

Mit freundlichen grüßen, die Redaktion

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