Kreuzberger Chronik
April 2008 - Ausgabe 96

Straßen

Die Falkensteinstraße


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von Werner von Westhafen

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Es war im März 1848. Die Herren von Manteuffel und von Falckenstein standen dem königstreuen Konterrevolutionär von Wrangel zur Seite. Von Manteuffel als juristischer Drahtzieher, von Falckenstein als Major jenes 1. Bataillons, aus dessen Reihen »am Nachmittage des 18. März die beiden Schüsse« fielen, »auf Grund deren die Aufständischen den unterbrochenen Kampf von neuem aufnahmen.« Major von Falckenstein, so heißt es, sei »in diesem Augenblicke damit beschäftigt gewesen, den Schloßplatz ohne Anwendung von Waffengewalt von dem lärmenden Volkshaufen zu säubern«.

So zumindest hält es die »Allgemeine Deutsche Biographie« aus dem Jahre 1896 für die Nachwelt fest. Am selben Abend allerdings läßt auch von Falckenstein die Waffen sprechen. Er hat den Befehl, »die Breite Straße und eine am Ende derselben vor dem Kölnischen Rathause ausgeführte Barrikade zu nehmen.« Mit der Unterstützung des 1. Garderegiments gelingt ihm der blutige Durchbruch. Der bereits 51jährige Major allerdings wird dabei verwundet, eine Kugel hat die Daumenwurzel durchschossen, eine weitere ist »an der Schuppenkette des Helms abgeprallt«. Sie hätte den Krieger töten können. So aber wurde dieser Tag einer der wichtigsten in der nicht sonderlich steilen, dafür um so längeren Karriere des Herrn von Falckenstein.

Die Liste der Orden, die er im Lauf der Lebensjahre erhalten hat, ist so lang wie die der Namen, welche ihm der Vater anhängte. Eduard Ernst Friedrich Hannibal Vogel von Falckenstein trug den »Rothen Adlerorden 3. Klasse mit Schwertern«, den »Schwarzen Adlerorden«, das »Großkreuz des Rothen Adlerordens« und den heißumkämpften »Orden pour le mérite«. Das simple »Eiserne Kreuz 2. Klasse« hatte er sich bereits als 17jähriger verdient.

Der Weg des späteren königlich preußischen Generals der Infanterie war schnurgerade. Zwar versetzte der frühe Tod des Vaters die Familie in Bedrängnis, doch gelang es der Mutter, ihren Sohn auf das Gymnasium nach Breslau zu schicken. Die Nachrichten vom Befreiungskrieg gegen Napoleon ließen im Sekundaner schon bald den Wunsch aufkommen, in die Fußstapfen des Vaters zu treten, der es bis zum Compagniechef gebracht hatte. Zwar sprachen weder die Jugend noch die »schwächliche Körperbeschaffenheit« für eine kriegerische Tätigkeit, doch gelang es dem knapp Sechzehnjährigen, am 14. März 1813 als freiwilliger Jäger beim westpreußischen Grenadierbatallion einzutreten und bei der Schlacht von GroßGörschen »zum ersten Mal ins Feuer« zu geraten. Bei den Kämpfen in Bautzen und an der Katzbach bewies er Mut genug, um zum »Secondlieutnant« ernannt zu werden.

Im folgenden Jahr kämpfte der junge Vogel von Falckenstein bei Montmirail gegen Napoleon, wobei ihm eine Kugel die Rocktaschen zerfetzte. Doch als im Tumult die Offiziere abhanden kamen, führte der »siebzehnjährige Lieutnant das zurückgehende Batallion ungebrochenen Muthes in eine andere Stellung«. Nur eine lästige Krankheit hielt den siegessicheren Krieger vom Einzug in Paris ab, weshalb er mit der »Erbberechtigung zum Sanct Georgsorden 5. Klasse« bedacht wurde.

Doch nicht allein durch Übermut zeichnete sich der junge Vogel aus. Als Napoleon sich nach Elba zurückzog und für die preußischen Krieger »ein einförmiges Friedensleben« begann, beschäftigte er sich mit dem Zeichnen von Landkarten. Er tat dies mit solcher Sorgfalt, daß er eine Anstellung in einem »topographischen Bureau des Großen Generalstabes« fand. In den Jahren 1822 bis 1824 erstellte der Hobbykartograph eine Karte des Berliner Umlandes, die in den kommenden vier Jahrzehnten mehrfach aufgelegt wurde. Zusätzlich verdiente er Geld mit der Glasmalerei und bewies auch hier so viel Geschick, daß ihm die Leitung der »königlichen Anstalt zur Pflege der Glasfenster« anvertraut wurde.

1848 aber ist von Falckenstein wieder auf seinem Posten und trägt dazu bei, die drohende Demokratie niederzuschlagen. Und der unaufhaltsame Aufstieg von Falckensteins nimmt seinen Lauf. Er schlägt die Unruhen in der Niederlausitz nieder und reist an General von Wrangels Seite zu Waffenübungen nach Konstantinopel, Italien und Rußland. Er ist bereits über 60 Jahre alt, als er Schleswig besetzt und endlich ein Regierungsamt erhält: Er wird zum Militärgouverneur von Jütland. Als er wieder abzieht, schreibt der dänische Minister: »Sie sind als Feind in unser Land gekommen und ihre Hand hat schwer auf uns gelastet; dennoch drängt es mich, Ihnen zu danken, daß Sie durch Gerechtigkeit und die Haltung Ihrer Truppen die schweren Leiden der Besiegten zu mildern beflissen waren. Die Geschäfte der Regierung habe ich in solcher Ordnung erhalten, daß ich nur wünschen kann, sie in derselben meinem Könige zu erhalten.«

Von Falckenstein ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. 1866 ist er General der Infanterie und Oberbefehlshaber der sogenannten Mainarmee. 48.000 Soldaten unterstehen seinem Befehl, als er die deutschen Mittelstaaten außerhalb des böhmischen Kriegsschauplatzes unter Kontrolle bringen soll. Er hat Weisung, weniger »auf die Besetzung bestimmter Gebiete«, als auf »die Entwaffnung feindlicher Truppen« zu achten. Doch General Vogel von Falckenstein scheint kriegsmüde. Tagelang lagert er mit dem Großteil seiner Truppen vor Hannover, selbst als zum 2. Mal die Order des Königs eintrifft, »eine seiner Divisionen von Hannover über Magdeburg nach Eisenach zu senden«, um den feindlichen Truppen den Weg abzuschneiden, bleibt er stur und läßt ausrichten, daß er »über genügend Kräfte zu einer solchen Entsendung nicht verfüge.« Außerdem sei es unmöglich, die Truppen mit der Bahn zu bewegen, da ein Tunnel zwischen Göttingen und Kassel gesprengt sei. »In Wirklichkeit aber«, so schreiben später die Kritiker, »war dies ein Hemmnis, welches leicht umgangen werden konnte, da von beiden Seiten Schienenwege an die Unterbrechung hinanführten«, und es nur eines kurzen Fußmarsches bedurft hätte, um die Fahrt fortzusetzen.

Die Befehlsverweigerung des Generals hatte zur Folge, daß die Truppen bei Eisenach in Bedrängnis gerieten. Zwar trugen die Preußen am Ende den Sieg davon und von Falckenstein eroberte die süddeutschen Länder planmäßig, doch wurde nach siegreichem Kampf nicht dem Oberbefehlshaber die Ehre zuteil, den Friedensvertrag zu unterzeichnen, sondern einem Untergebenen: Auf ausdrücklichen Befehl des Königs unterschrieb General von Manteuffel, ein Verwandter des königlichen Juristen, das Dokument. Von Falckenstein aber wurde mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert.

Der ewige Krieger blieb noch einige Jahre in anderen Ämtern, zog sich jedoch schon bald aufs gemütliche Land zurück. Einmal noch stört ein Krieg seine Ruhe, bis er am 27. Dezember 1874 endlich den Helm an den Nagel hängt. 61 Jahre hatte Vogel von Falckenstein der Armee gedient. Er starb 88jährig als »ein treuer Diener seines Kriegsherren«, – »kunstsinnig und ein ganzer Soldat«.

Werner von Westhafen

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