Kreuzberger Chronik
Februar 2014 - Ausgabe 155

Essen, Trinken, Rauchen

Die Grünhaarige in der Sofia Bar


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von Aura Cumita

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Die Sofia Bar im »Wranglerkiez«. Ob der Name von Sophia Loren kommt? Die ist zusammen mit Omar Sharif auf einem Poster an der Bar zu sehen. »Nein«, sagt Hansi, der Barkeeper. »Die schreibt sich doch mit ph«. Ob der Name von Sofia, der bulgarischen Hauptstadt kommt? »Das hoffe ich doch«, sagt Hansi. Aber im Ernst: Das Schild wurde hinten im Lager gefunden. »So was kostet viel Geld und wir dachten es passt, also haben wir das rausgehängt.«

Auf der Wand ist ein Meer, ein Mann, der gerade fischt und eine Frau, die ihm zuschaut. Boote, Bäume, Häuser. Auf der anderen Wand ist eine Bergszene, Frauen bereiten Essen in der Natur vor. Die Wandgemälde mit den Reliefs sind noch vom Musikcafé, das hier früher war.

An einem Tisch sitzt eine grünhaarige Frau und schreibt ohne Unterbrechung in ein Heft. Sie trinkt Latte. Am Fenster ein Mann, der in der Zeitung blättert. Er trinkt auch Latte. Hinter dem Tresen schaut sich Hansi die Angebote von Mediamarkt an. »Nichts für mich. Flat-rate, Flatscream, alles flach. Nichts für mich.« Er wirft das Werbeprospekt in den Müll und nimmt die Süddeutsche. Darin liest er täglich den Wetterbericht. »Wetter historisch: 1899 waren es zur selben Zeit minus 18,5 Grad. 2000 waren es plus 16,5 Grad.« Und heute? »Heute haben wir um die 9 Grad. Es wird noch wärmer.«

Ein Bekannter kommt rein. Hansi unterhält sich jetzt mit ihm. Er nickt zu der Frau hin, die schreibt: »Schreiberei, Bildhauerei, Filmerei? Warum tut sich einer so was an? Ich habe von mir aus nichts mehr mitzuteilen.« Ob er wenigstens malt? »Ich? Ich mache Kaffee«, antwortet Hansi. »Alte Zeiten. Vergessen. Alles vergessen«, er winkt ab.

Zwei Menschen kommen rein, bestellen Kaffee. Hansi geht zur Espressomaschine, mahlt Bohnen. Pfeifend. Ob er der Besitzer sei, fragt einer. Nein, hier sei alles ganz kapitalistisch. Aber ohne Schulden und ohne Bank. Also nicht ganz kapitalistisch. »Aber schon soziale Marktwirtschaft und fairer Handel,« sagt er. Der Kaffee von Gepa, die erste deutsche Firma, die fair handelt. Er verkauft auch Flessa-Bräu, Bier aus dem Kiez, das im Friedrichshain gebraut wird.

Ein Pärchen kommt rein, bestellt zwei Latte Macchiatto. Sie setzen sich ans Fenster. Wieder quietscht die Tür. Ein Mann mit Mütze betritt den Laden. »Cappuccino?« »Ja, bitte!« antwortet der Mann und nimmt sich die BZ. Diese Bar ist ein Taubenschlag. Eine Frau kommt rein. Sie friert und nickt Hansi wortlos zu. Er: »Wo warst du die ganze Zeit?« Sie: »Arbeiten.« Er: »Ich dachte, Arbeit macht froh!« Sie: »Mir ist kalt. Kein Wetter für Außenmontage.«

Die grünhaarige Frau, die die ganze Zeit geschrieben hat, zahlt und geht. Der Junge mit der Freundin nähert sich einigen anderen Kunden und fragt, ob sie jemanden kennen, der Ecstasy hat. Vielleicht eine Telefonnummer oder so. Der Barkeeper pfeift. •


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