Kreuzberger Chronik
Februar 2006 - Ausgabe 74

Strassen, Häuser, Höfe

Die Manteuffelstraße


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von Werner von Westhafen

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Wilhelm I., Kaiser des neugegründeten Deutschen Reiches und gleichzeitig König von Preußen, war ein politisch launischer Mensch. Immer treu dem Konservatismus verpflichtet und auf die Kraft des Militärs setzend, mit dem er auch die Revolution vom März 1848 blutig niederschlug, gab er Ende der fünfziger Jahre dem Drängen seiner Frau nach, wechselte die politische Gesinnung und schloß sich einer liberaleren Weltanschauung an. Eine Folge hiervon war die Entlassung sei nes gesamten Regierungskabinetts inklusive seines Außenministers und Ministerpräsidenten von Manteuffel. Für den ehrgeizigen Politiker, der sich aus den Landtagen hochgearbeitet hatte, war dies der wohl unglücklichste Tag seines Lebens  zu vergleichen nur noch mit dem 26. November 1882, an dem der Freiherr von Manteuffel verstarb.

»Der Starke tritt zurück!«, hatte er seinen Kritikern im November 1850 noch selbstbewußt zugerufen, als er Kurhessen und Holstein den Österreichern opferte. In dem unter russischer Vermittlung geschlossenen Vertrag von Olmütz hatte Manteuffel die Vormachtstellung Österreichs in Kurhessen und Holstein anerkannt, was Preußens Plan einer deutschen Einheit ohne Österreich, die sogenannte kleindeutsche Lösung, endgültig zunichte machte.

Von der zitierten Stärke war nach seiner Entlassung nicht mehr viel übrig. Manteuffel zog sich auf seine Güter in der Lausitz zurück, wurde für Görlitz ins Haus der Abgeordneten gewählt, »ohne sich dort jedoch bei den Verhandlungen in besonderer Weise zu beteiligen«. Zuletzt wurde der alte Herr von Manteuffel Mitglied des Preußischen Herrenhauses, wo er sich vor allem durch die Verteidigung reaktionärer Grundsätze hervortat, deren Popularität jedoch längst nicht mehr so groß war wie in seiner ersten Berliner Zeit.

22jährig war der junge Freiherr von Manteuffel nach Studienjahren in Halle und abgelegter Offiziersprüfung nach Berlin gekommen, wo er sein Studium der Rechts und Kameralwissenschaften mit ausgezeichneten Zeugnissen abschloß. Nichts anderes dürfte der ehrgeizige Zögling des alten Adelsgeschlechtes, das sich in seiner vierhundertjährigen Existenz über Pommern, Mecklenburg, Preußen, Sachsen, Polen, Schweden und das Baltikum verzweigt hatte, von sich erwartet haben. Seinen ersten Unterricht erhielt er vom Vater Otto Gottlob Freiherr von Manteuffel persönlich, und nach dessen Tod vom Onkel Hans Karl Erdmann von Manteuffel. Das Vertrauen in die öffentliche Schule war beim Adel nicht sonderlich groß, man war der Ansicht, daß das Kind in der Abgeschlossenheit des Adels am besten gedeihe. Erst mit 14 kam der Sprößling unter das gemeine Volk und auf die Landesschule, wo er 1824 das Abitur ablegte. Natürlich trat das Adelskind als Freiwilliger einer Jägerabteilung bei und und tat auch sonst alles, was sich nach Stand und Anstand gebührte.

Der junge Mann in Berlin erhielt sofort eine Stelle am Kammergericht, doch drei Jahre später versetzte man ihn wieder nach Frankfurt an der Oder. Der eiserne Wille des von Manteuffel war indes ungebrochen, und die Liste der Ämter, Titel und Posten, die der Adelssproß aus Lübben Zeit seines Lebens erwarb, ist lang; nicht umsonst nannte man die 50er Jahre gern die »Ära Manteuffel«. 1832 absolvierte er die Große Staatsprüfung und wurde Landrat von Sternburg. Wenig später hatte er sich den Ruf eines »der besten Landräte Preußens« erworben, 1841 wurde er Oberregierungsrat und Abteilungsleiter der Regierung in Königsberg. 1843 wurde er Vizepräsident der Regierung in Stettin, und ein Jahr später übernahm er als Geheimer Oberregierungsrat die Stelle eines Vortragenden Rates beim preußischen Prinzen Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm I.

Gleichzeitig aber war Manteuffel Mitglied des Staatsrates und wurde 1845 zum Direktor der 2. Abteilung des preußischen Innenministeriums berufen. Im Vorfeld der Revolution von 1848 machte er sich mit seiner streng konservativen Gesinnung auch unter Freunden erste Feinde. In seiner Rolle als Vertreter des Kreises Luckau im ersten Vereinigten Preußischen Landtag wandte er sich mit aller Vehemenz gegen die liberalen Bestrebungen, die aus dem Volk kommend bereits bis in die Kreise der Gebildeten und Bürgerlichen vorgedrungen waren. Es war Manteuffel, der die Pläne und Anträge der ersten Demokraten im Landtag forsch zurückwies, wohlwissend, daß dies auch seinem König und Kaiser gefallen würde. Allerdings verteidigte er die bestehenden Verhältnisse offen bar derart vehement, daß er »aus mehreren Ausschüssen ausgeschlossen wurde«.

Dem König jedoch gefiel dieser Mann, und als das Volk tatsächlich auf die Barrikaden stieg, wurde Manteuffel, der ja bereits Minister des Innern war, ins sogenannte »Ministerium der Tat« berufen. Er war einer der größten Feinde der Revolution von 1848, und er war einer der wichtigsten Handlanger bei ihrer Niederschlagung. Er war es, der die vom König verlangte neue Verfassung vom 5. Dezember 1848 ausarbeitete, in der das Volk um seine Rechte betrogen wurde (vgl. Kreuzberger Chronik Nr. 33 und 26). Am 30. Mai 1849 verkündete Manteuffel das »DreiKlassenWahlrecht« und die Presseverordnung vom Juni 1849, welche die Pressefreiheit radikal stutzte. Er war es auch, der mit dem Vereinsgesetz vom März 1850 die rechtlichen Voraussetzungen zur Unterdrückung jeglicher politischer Organisation schuf. Noch im Versammlungs und Demonstrationsrecht der Bundesrepublik läßt sich der Einfluß des konservativen Juristen nachweisen.

Bereits am 9. November 1849 wurden von Manteuffel, Friedrich von Wrangel und Friedrich Wilhelm von Brandenburg Ehrenbürger von Charlottenburg. Sie werden, so die Begründung, für »hohe Verdienste um das Vaterland« geehrt, »wodurch auch die Interessen unserer Stadt gefördert sind«. Damit ehrt Charlottenburg eine Verschwörergemeinschaft: Friedrich Wilhelm als Kopf und Anstifter der Bande, den ebenfalls adligen Feldherren Friedrich von Wrangel, der den militärischen und blutigen Aktionen der Niederschlagung voranstand, sowie den Juristen von Manteuffel, der dem Komplott gegen die Demokratiebestrebungen des Volkes eine rechtliche Grundlage zimmerte.

Am 6. Februar 1850 verliehen auch der Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung von Berlin von Manteuffel die Ehrenbürgerschaft, er wurde zum Ritter des Schwarzen Adlerordens mit Brillanten geschlagen, und bereits 1849 erhielt die Manteuffelstraße seinen Namen. Daß er und sein konservativer Kamerad von Wrangel noch immer ausgerechnet auf Kreuzbergs Straßenschildern zu finden sind, ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wen die Kreuzberger in den Siebzigerjahren so alles ins Visier genommen haben. Denn der Name des preußischen Innenministers »steht für die finstere, gegenrevolutionäre Epoche in Preußen nach der gescheiterten Revolution von 1848.« Aber vielleicht ist 1848 einfach zu lange her.

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