Kreuzberger Chronik
Die Andern über uns

Kreuzberger Leben

Das Porträt ist ein von vielen Journalisten hochgeschätztes Genre, läuft man mit ihm doch keine Gefahr, großkommentatorisch Objektivität vortäuschen zu müssen und kann vorzüglich Alltägliches und Atmosphärisches zur Darstellung bringen. Versammelt man gleich mehrere solcher Porträts, läßt sich damit auch das Bild eines Stadtteils entwerfen.

Der neu entstandene Berliner Verlag an der Spree hat jetzt 15 Porträts von Kreuzbergern in einem schmalen Bändchen veröffentlicht, zusammen mit Fotografien von Michael Hughes. Die Lebensgeschichten wurden von Hans W. Korfmann aufgeschrieben und sind der von ihm herausgegebenen Kreuzberger Chronik entnommen.

In ihnen erfahren wir unter anderem von der Einwanderung des Kurden Süleyman Çoban und dessen Sohn Serdar, einige Anekdoten des schwulen Pärchens Diddi und Siggi, vom kurzen Kreuzberg-Aufenthalt Gerhard Seyfrieds, vom politischen Engagement Volker Schröders, der endlich die Umbennenung des Platzes vor dem Brandenburger Tor in Platz des 18. März erreicht hat, und vom Schicksal der Rollstuhlfahrerin Beatrice Frings, die doch eigentlich Skirennläuferin werden wollte. Am Ende des Buches wagt Korfmann sogar ein Selbstporträt.

„Wenn man sein Leben in zwei Stunden erzählt, ist es ein einziges Abenteuer" lautet ein Satz der Künstlerin und Galeristin Zeynep Delibalta, der dem Buch als Motto vorangestellt ist. Leider merkt man den Geschichten deutlich an, daß Korfmann genau diesen Eindruck bestätigen will. Zuviel Pathos, zu viele in Adjektive verpackte Liebeserklärungen, zu viele Dramatisierungen verwendet er, um darzustellen, wie die ausgewählten Menschen ihr Leben wahrnehmen. Ob er über einen Obdachlosen erzählt oder über den Inhaber eines Ladens für Musikinstrumente, Korfmanns Ausdrucksmittel bleiben dieselben. Am Ende hat man den Eindruck, mehr über den Autor als über die von ihm Porträtierten erfahren zu haben.

ks

Hans W. Korfmann: Kreuzberger. 15 Porträts. Verlag an der Spree, Berlin 2005. 9,80 Euro

© Scheinschlag, 2005

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