Kreuzberger Chronik
September 2025 - Ausgabe 272

Tenzer

Auf dem Arbeitsamt


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von Horst Unsold

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Das weiß geschminkte Gesicht des Clowns mit den aufgemalten Tränen ist nicht nur in Zirkuszelten zuhause, es ist auch in der Malerei ein viel zitiertes Motiv. Der traurige Spaßmacher ist die Metapher für ein Dasein und Menschsein, in dem Trauer und Glück beheimatet sind und oft sehr nah beieinander liegen. Niemand hat uns diese Figur des Tragikomischen eindringlicher vorgeführt als Charlie Chaplin, der ewig hungernde, obdach- und heimatlose Tramp, der mit seinen genialen Ideen Millionen zum Lachen bringt. Vorausgesetzt, die Millionen haben Humor.

Der Beamte auf Tenzers Bild hat keinen Humor. Im Gegensatz zu Tenzer. Tenzer ist unverkennbar auch der deprimierte Clown auf dieser Karikatur vom »Arbeitsamt - Neue Bundesländer«, obwohl er nie in neuen Bundesländern lebte und wahrscheinlich auch nie auf einem Arbeitsamt saß, nur weil er Hunger hatte. Denn er hat immer darüber geklagt, wie mühselig so ein Künstlerleben ist, wie wenig man für seine Bilder zahlt. Aber er hat dabei nie den Humor verloren. Kürzlich, auf dem Sozialamt, entlockte er sogar seiner Sachbearbeiterin ein Lächeln, als er sich für seine finanzielle Notlage entschuldigte und sagte: »Ich versuche doch schon, die Welt mit meinen Bildern ein bisschen bunter machen. Aber keiner dankt es mir.«


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