Kreuzberger Chronik
Oktober 2025 - Ausgabe 273

Mühlenhaupts Erinnerungen

Kunstkabinett


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von Kurt Mühlenhaupt

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Meine erste offizielle Einzelausstellung fand im Berliner Kunstkabinett statt und war ein Riesenerfolg für mich. Der Aussteller, Herr Bertram, hatte weniger Glück, denn er machte mit mir einen Vertrag, der ihm nichts einbrachte. Jahrelanger Misserfolg zwang ihn zu sehr merkwürdigen Abmachungen, die waren so gehalten, daß sie wenigstens die Mieten einbrachten. So mußte ich 3.000 Mark dazu zahlen, aber nur fünfzehn Prozent von den verkauften Bildern abgeben. Der Verkäuferin namens Betti war es zu verdanken, daß für 50.000 Mark Bilder verkauft wurden. Das war mein erstes großes Geschäft überhaupt. Der Galerist ärgerte sich nun, während ich das erste Mal mit dem Finanzamt zu tun hatte. Dabei kam ich trotz alledem heil aus der Sache raus, und das war so:

Vor dem Ende der Ausstellung schnüffelte jemand vom Finanzamt in der Galerie herum. Er tat so, als ob er den ganzen Laden kaufen wollte und machte sich Notizen. Es verging danach ein ganzes Jahr. Meine Steuern hatte ich längst bezahlt. Eines Tages stand ein Beamter in meinem Atelier und wies darauf hin, daß zwei der teuersten Bilder zwar verkauft, aber nicht auf meiner Steuererklärung erschienen waren. Ich ließ ihn eine Weile brabbeln, ich mußte mich konzentrieren, denn ich durfte keine Fehler machen und sagte: »Wissen Sie, es liegt alles schon über ein Jahr zurück, aber wenn ich es mir richtig überlege, dann hat Sie mir der Himmel geschickt..«

Er wurde ungeduldig, lief von einer Ecke in die andere. »Also, bevor wir uns weiter unterhalten, muß ich erst mal Ihren Namen notieren«, sagte ich. »Sie wissen doch, wie das mit den Behörden ist. Wenn etwas falsch läuft, streitet es hinterher jeder ab, und keiner will was gesagt haben.«

»Ich komme von der Steuerfahndung. Das muß Ihnen doch genügen.«

»Nein«, sagte ich, »ich brauche Ihren Vor- und Zunamen, denn Sie sind der einzige Mann in Deutschland, der mir helfen kann.«

»Ich soll Ihnen helfen?«

»Ja«, sagte ich, »Sie sollen mir helfen, meine Forderungen einzutreiben. Die Bilder sind weg, und von dem ganzen Geld habe ich noch keinen Pfennig gesehen. Der Käufer ist weggezogen, wohnt irgendwo in Westdeutschland oder sonst wo auf der Welt. Das Finanzamt hat doch ganz andere Möglichkeiten, den Kerl zu finden. Wenn Sie es raus haben, bekommt auch das Finanzamt seinen Anteil.«

Ich redete mir meinen ganzen Ärger von der Seele. Mein Besucher zog es vor, heimlich zu verschwinden. Ich hatte viele Jahre meine Ruhe. Nach Jahren bekam ich das Geld für meine Bilder. Das Finanzamt vergaß ich. Heute ist die ganze Sache vergessen. Hoffe ich jedenfalls.




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