März 2025 - Ausgabe 267
Helmut
Die Passantin (2) ![]() von Hans Korfmann |
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Die Passantin (2) Jahre später - Helmut war nicht mehr am Leben und hatte seine letzte Ruhe in der Oberstadt gegenüber vom Leierkasten und in der Nähe seiner alten Werkstatt gefunden - klingelte das Telefon. Eine Frauenstimme war am Apparat. Die Portugiesin. Sie hatte erfahren, dass Helmut gestorben war. Ob wir uns treffen könnten. Sie würde gerne wissen, was passiert sei. Wir trafen uns im Restaurant im Bethanien. Sie war schick und hatte etwas aristokratisches in ihren Gesten. Sie war so alt wie Helmut, besaß aber noch immer eine mädchenhafte Figur und bewegte sich mit jugendhafter Leichtigkeit. Wenn sie sprach, war ihre Stimme warm und dunkel, wenn sie lachte, hell und schrill. Sie sagte: »Helmut war die Liebe meines Lebens.« Dann erzählte sie, wie sie sich kennengelernt hatten, auf einer Party, und dass Helmut gar nicht hatte tanzen wollen, dass Helmut nicht der Mann war, der einem anderen die Freundin ausspannte, und dass es nur ein dummer Zufall gewesen sei, dass sie sich näherkamen. Dann breitete sie alte Schwarz-Weiß-Fotografien auf dem Tisch aus: Helmut und sie in einem Lokal in Lissabon, Helmut und sie in einem Park irgendwann am Anfang der Sechzigerjahre, er jung und im Anzug, sie im weißen Kleid, die Haare hoch onduliert, ein Traumpaar, wie in französischen Filmen. Ja, und dann hätten sie geheiratet, kicherte sie, sie, die feine, entfernte Verwandte der Königsfamilie und dieser junge Deutsche, der vor dem Militär nach Portugal geflüchtet war! Unfassbar! Und dann seien sie zusammen nach Berlin gegangen, und da sei alles ganz schnell wieder vorbei gewesen. Sie kramt noch mehr Bilder aus ihrer Tasche, Helmut mit Schneebrille auf einem Gipfel in Tirol, Helmut, ein Kind in kurzen Hosen bei einem Ausflug mit den Eltern, Helmut als junger Mann lachend und rauchend in der Tür lehnend. Bilder, die sie ein Leben lang aufbewahrt hatte, vielleicht schon ein Leben lang in dieser Handtasche mit sich herumtrug. Bilder der Liebe ihres Lebens. Ich besuchte Helmut auf dem Friedhof. Während es bei seinem direkten Nachbarn, Herrn Mendelssohn Bartholdy, eher ungepflegt aussah, stand auf Helmuts Grab eine Vase mit frischen Blumen. Kein Grab sah so sauber aus wie das von Helmut. Drei Tage später klingelte das Telefon. Sie war aufgeregt und wollte wissen, woher die Blumen auf seinem Grab kämen. Ich verstand nicht, was sie meinte, erst, als sie berichtete, dass ein zweiter Blumenstraus auf Helmuts Grab gestanden hatte. Wer das gewesen sein könne? Welche Frau? Ich dachte an Helmuts warnende Worte damals vor der Ankerklause: »Die wirst du nie mehr los!« |