März 2025 - Ausgabe 267
Frisch von der Leinwand
September Five ![]() von Anna Prinzinger |
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The Day Terror Went Live Heute hat es mich mal wieder ins Yorck Kino verschlagen. Meine Kollegin und ich kaufen schon ein halbe Stunde vor Filmbeginn die Karten, um schöne Plätze zu bekommen. Wir nutzen die halbe Stunde für eine heiße Schokolade in der Kälte vorm Café Tinto am Mehringdamm. Dann machen wir es uns im Kinosaal gemütlich und sehen uns die Trailer an. Ich finde, das gehört dazu. Sonst könnte ich mir auch einen großen Flachbildschirm besorgen und mich zu Hause davor hocken! Die Olympischen Sommerspiele von 1972 in München sind berühmt geworden, allerdings weniger aufgrund sportlicher Meister-leistungen, sondern aufgrund des Attentats. Der Film verfolgt deshalb auch nicht die Sportereignisse, sondern ein US-amerikanisches Nachrichtenteam, das die Geschehnisse im Olympischen Dorf live im Fernsehen überträgt. Früh am Morgen des 5. Septembers hören der Produzent der Fernsehcrew, Geoffrey Mason, und die Übersetzerin Marianne Gebhardt die Schüsse, die nicht weit vom Studio entfernt fallen. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, was geschehen ist, dennoch erhalten sie den Auftrag, die Ereignisse weiter zu verfolgen und live Bericht zu erstatten. Also schickt das Team einen Moderator und ein Kameracrew in das Dorf, noch bevor dieses von der Polizei abgeriegelt wird. Jetzt stellt sich heraus, dass das Wohnquartier der israelischen Sportler überfallen wurde und diese als Geiseln festgehalten werden. Viele ihrer Entscheidungen müssen jetzt in großer Eile getroffen werden, und es beginnt ein spannender Film auf zwei Ebenen: Zum einen fragen wir uns, was im Olympischen Dorf geschehen wird, zum anderen verfolgen wir, wie die Fernsehcrew auf die jeweilige Situation reagiert. Was werden sie als nächstes zeigen? Wird auch dann noch weiter übertragen, wenn die Situation eskalieren und es zu den angedrohten öffentlichen Exekutionen kommen sollte? Siegt die Sensationslust des Publikums über die Pietät. Es sind moralische Fragen, über die entschieden werden musste, und das unter höchstem Zeitdruck. Der Film verlässt während der 90 Minuten die Kulisse des Nachrichtenstudios kaum. Über den Parkplatz vor dem Studiogebäude hinaus geht es nicht. Was sich außerhalb abspielt, verfolgen das Publikum ebenso wie die Mitarbeiter des Fernsehteams nur noch über das Videomaterial, das ihnen zugespielt wird. Dennoch gelingt es Regisseur Tim Fehlbaum, einen Spannungsbogen aufzubauen, der bis zum Schluss hält. Es sind dabei weniger die geschichtlichen Ereignisse der Geiselnahme, die uns fesseln, sondern es ist vor allem der ungeheure Druck, dem das Team ausgesetzt ist, und den wir hautnah miterleben. |