Februar 2025 - Ausgabe 266
Mühlenhaupts Erinnerungen
Günter Grass ![]() von Kurt Mühlenhaupt |
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´![]() Dann kam der Tag, an dem Günter Grass in der Zinke eine Lesung hielt. Günter war gerade im Kommen. Er machte mit seiner Blechtrommel viel Lärm und kam an. Darin umschrieb er zur rechten Zeit den Raum um Danzig. Sein Buch war Ersatz für die Stadt und das verlorene Land drum herum. Es machte mir Spaß, sein Buch zu lesen, und ich wollte ihn kennenlernen. Also machte ich mich an jenem Tag frühzeitig auf den Weg zur Oranienstraße. Die Zinke lag ein paar Häuser vor der Blindenwerkstatt und war nur über den Hintereingang zu erreichen. Ich hatte Mühe, wenigstens bis dorthin vorzudringen. Die vielen Menschen hinderten mich daran. Eigentlich hoffte ich, mittels meiner neuen Freunde Günter vorgestellt zu werden. Aber nun steckte ich auf dem Hof fest. So blieb mir nichts weiter übrig, als ein Bad in der Menge zu nehmen. Aber mehr als das Gebrabbel von 100 Menschen war nicht zu hören. Dann öffneten sich die Fenster der Zinke. Nun endlich war Ruhe. Jemand saß oben im Fenster. War es Günter, der die Flöte spielte? Von der Lesung hörte ich nicht viel, ich sah nur von unten ein paar Beine zappeln und schaukeln. Auch aus dem Haus selbst nahmen viele Menschen daran teil. Sie hatten Logenplätze und hingen in Trauben aus den Fenstern. Dann hörte ich, wie von oben jemand brüllte. Die Hinterhausbewohner mischten mit. Hier und da rauschte eine Klosettspülung. Die kam aber aus dem Vorderhaus, denn die Hinterhausbewohner hatten ihre Toiletten unten auf dem Hof. Ich fand alles umwerfend, auch wenn ich nicht mehr mitbekam, als das, was ich eben beschrieb. Es war ein Erlebnis für mich, weil alles so neu war. Später gab es noch viele Begegnungen mit Günter Grass. Aber diese erste, die eigentlich keine war, blieb wohl die eindrucksvollste. Ich lernte, dass vor allem die Umgebung eine ganz wichtige Rolle spielt. |