April 2025 - Ausgabe 268
Geschäfte
Gutti, Muki & Luki ![]() von Michael Unfried |
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Von der Qual der Namenswahl Sie liegen nebeneinander, und man, oder meistens frau, weiß nicht, wohin sie nun zuerst gehen soll, wenn sie auf der Suche nach einem leichten Mantel für den Herbst oder das Frühjahr, einem langen Kleid, das erst kurz vor dem ungefegten Trottoir endet, einer eleganten Hose oder auch nur einem Schal oder einem modisch bunten Kopftuch zum Kottbusser Damm gefahren ist, weil ihr jemand den Tipp gegeben hat: »Geh doch mal zum Kottidamm, da, wo der Zickenplatz ist, vor dem U-Bahneingang Schönleinstraße. Da sind gleich drei Läden nebeneinander, die haben alles. Und das ist wirklich billig, Schwester, und eine Riesenauswahl!« Und dann steht die Frau auf der Suche nach einem neuem Textil vor den drei gleichgroßen Schaufenstern des angepriesenen Modezentrums, dessen Schaufensterreihe mit dem Karstadt-Imperium am Hermannplatz konkurrieren zu wollen scheint. Der Unterschied zu Karstadt besteht lediglich darin, dass sich die Auslagen am Kottbusser Damm kaum voneinander unterscheiden. Sogar Schaufensterpuppen, Kleiderständer, Preisschilder und Preise sind einander täuschend ähnlich. Auch die Namen über den drei Modegeschäften ähneln einander sehr und helfen einer Frau auf der Suche nach der passenden Ergänzung ihres Outfits nicht viel weiter: Sie heißen Gutti, Muki und Luki und scheinen weder mit dem Englischen noch mit dem Französischen oder Italienischen verwandt zu sein. Während Gutti noch entfernt an das Nobel-Mode-Label Gucci erinnert, assoziiert die Frau bei Muki eher ein männerdominiertes Fitnessstudio als eine Boutique mit hübschen Kleidern zur Betonung ihrer Weiblichkeit. Luki allerdings, das südlichste Mitglied im Triumvirat, das die alte Apotheke am Damm ablöste, könnte natürlich vom englischen lucky abstammen. Es ist allerdings wahrscheinlicher, dass der Name das Resultat einer poetischen Inspiration ist, die eine klangvolle und harmonische Ergänzung zu Gutti und Muki suchte. Vollkommen daneben ist der vierte Textilhändler, der am nördlichen Ende der Ladenkette sein Glück versucht: Zeeman. Das Geschäft ist bar jeder Exotik oder Erotik und wirbt in den blaugelben Farben einer Edeka-Filiale für billige Socken und T-Shirts. Die durchwühlten Wäscheberge in den schmucklosen Stahlgitterkästen lassen jeden Charme vermissen, Neonröhren tauchen die Kulisse in eine sterile OP-Atmosphäre. Während bei Gutti, Muki & Luki ganze Gruppen junger und quasselnder Frauen samstags den Laden stürmen und sich zwischen den Wäscheständern ihren Weg bahnen, besteht das Publikum bei Zeeman vornehmlich aus älteren deutschen Damen. Warum man die deutsche Ergänzung zu Gutti & Co nicht Mutti nannte, ist ein bis heute ungelöstes Rätsel. Rein phonetisch würde zu Zeeman mit seinen Stringtangas, den zarten Spitzenbüstenhaltern und dem roten Lippenstiftsortiment natürlich auch »Schnucki« passen. Doch wenn man im Ständer gleich daneben die riesigen, altrosafarbenen und eher prosaischen Zirkuszelte hängen sieht, mit denen werdende oder seiende Mütter ihre Milchvorräte zu halten versuchen, denkt niemand mehr an Schnucki. Das Sortiment bei Zeeman mit seinen Topflappen, Schneebesen und Eierkochern ist eindeutig für die Frau am Herd gemacht, und wollte man aus dem Triumvirat ein Quartett machen und den blaugelben Laden für die ältere Generation übernehmen, dann wäre der einzig passende Name zweifelsfrei Mutti. Gutti, Muki, Luki & Mutti. Sollte man jedoch auch dort ein ähnliches Angebot wie bei Gutti oder Luki einsortieren, würde »Schmucki« Sinn machen. Denn zur weiblichen Oberbekleidung gehören auch die schmucken Imitationen von Brillanten und Smaragden. Auch Looky Looky, wie es einst jeder orientalische Teppichhändler vorüberziehenden Touristen zurief, käme in Betracht. Oder zu Deutsch: Gucki Gucki! Sogar Tutti Frutti würde passen! Immerhin hängt bei Gutti in der Vitrine neben einem langgestreckten schwarzen Abendkleid auch ein sehr tief ausgeschnittenes Stück, das durchaus als sexy bezeichnet werden könnte, würde es nicht auch noch den Knöchel bedecken. Die größte Verlockung bei Gutti, Luki & Muki jedoch sind die Preise. Rote Preisschilder voller Prozentzeichen überall! Bis zu 80% reduzierte Jacken, Hosen, Kleider, Mäntel, und die Auswahl scheint riesig! Es gibt kaum Platz zwischen den Kleiderständern, an denen sich Jacken aneinanderdrängen, als würden sie frieren, wattierte Anoraks und Wintermäntel in immer gleichem Schnitt hängen auf zwei Metern Kleiderstange - immer das gleiche Modell mit dem Plastikfellkragen. Sogar die Größen scheinen identisch. Es könnte den Frauen schon langweilig werden, wären da nicht diese Farben: Die Palette ist gewaltig. Die Designer scheuen auch vor schrillsten Tönen nicht zurück, es gibt knallblaue, knallrot und knallblau-weiss gestreifte Pullover, Sommerkleider wie Blumensträuße, Blusen wie zu Fasching. Bunt ist auch ist die Auswahl an leichten Kopftüchern für den nahenden Sommer, durchgehend schwarz dagegen sind die Handschuhe, die überall in der Stadt einen Zehner kosten, hier aber zum Vorzugskaufspreis von 3 Euro zu haben sind. Winterjacken für 10 Euro, und und und... - Nein, man kann über Gutti, Muki & Co sagen, was man will: Nirgends ist es so günstig wie am Zickenplatz, nirgends hängen auf so wenigen Quadratmetern so viele Kleider, Hosen, Jacken und Mäntel. Es wäre doch ein Wunder, wenn hier am Kottbusser Damm nicht für jeden etwas dabei wäre – egal, ob man oder frau. ![]() Foto: Dieter Peters
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