Oktober 2024 - Ausgabe 263
Frisch von der Leinwand
Treasure ![]() von Anna Prinzinger |
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Film mit Popkorn Da der Film erst einen Tag vorher in Berlin Premiere gefeiert hatte, besorgte ich im voraus Karten für meine Freundin und mich. Trotzdem saßen wir dann ganz am Rand, denn als wir im Saal ankamen, waren unsere reservierten Plätze von Taschen und Jacken belagert, und die Besitzerin beharrte darauf, dass ihre Klamotten da liegenblieben. Einen Boxkampf vor vollen Rängen wollten wir nicht riskieren, also rückten wir zwei Plätze weiter und saßen ganz außen. Ich hatte lange nicht mehr mit so vielen Leuten im Kino gesessen, die alle Popcorn aßen. Das Geraschel auf den Rängen ging mir ziemlich auf die Nerven, aber so ist das nun mal im Winter: Es wird kälter, die Kinosaison ist eröffnet, man wärmt sich in geheizten Sälen auf. Wenn das Yorck Logo über die Leinwand flimmert, heißt das, dass es losgeht: »Treasure – Familie ist ein fremdes Land« basiert auf dem Roman »Too Many Men« von Lily Brett, einer australischen Autorin. Regie für den Film führte die deutsche Regisseurin Julia von Heinz. Der Film beginnt am Warschauer Flughafen Anfang der Neunziger. Ruth und ihr Vater Edek, der die Tochter nur »Ruthie« oder »Pumpkin« nennt, reisen ein Jahr nach dem Tod von Ruths Mutter nach Polen, um der Geschichte ihrer Familie auf den Grund zu gehen. Ihre Eltern stammen aus Lodz. Ruth selbst ist in New York aufgewachsen und weiß nur wenig von der Vergangenheit ihrer Familie. Dass sie in Auschwitz waren, weiß sie. Und deshalb begibt sich Ruth mit ihrem Vater auf die Suche nach Erinnerungen. Doch Edek ist zurückhaltend und erzählt nur wenig von damals, die Erlebnisse schmerzen noch immer. Gemeinsam mit ihrem Fahrer Stefan reisen sie von Warschau über Lodz nach Krakau, besuchen das Haus, in dem die Familie einst lebte, und das Konzentrationslager, das sie überlebten. Allmählich beginnt Edek zu erzählen. Die Beziehung zwischen Tochter und Vater, die bis zu dieser Reise in die Vergangenheit nicht viel miteinander zu tun hatten, ist das eine Thema des Films. Die Kommunikation zwischen den beiden lässt einen immer wieder schmunzeln. Die Geschichte dahinter ist zum Weinen und sorgt für plötzlich eintretende Stille zwischen dem beständigen Knacken der Popkörner. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas schafft der Film es, das Publikum zum Lachen zu bringen. Die Frau mit den Klamotten auf unseren Sesseln lachte am lautesten von allen. Bei der vielleicht bewegendsten Szene des Films, in der Edek den Mantel seines Vaters in den Armen hält, war sie es, die erbarmungslos in ihren Ärmel schniefte. Auch ich musste ein paar Tränen wegdrücken - nicht dieser emotionalen Geschichte wegen, sondern weil die grandiosen Schauspieler uns allen so nahe gekommen waren. Sogar unserer Sitznachbarin. |