Kreuzberger Chronik
Juni 2024 - Ausgabe 260

Frisch von der Leinwand

Back to Black


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von Anna Prinzinger

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»Am liebsten hätte ich laut mitgesungen!«

Wieder mal ist an diesem Donnerstag - einem der ersten Tage, an denen es über zwanzig Grad hat - um 17.40 Uhr nichts los im Foyer des kleinen Kinos in der Yorckstraße. Die Frau vor mir kauft sich deshalb einfach nur eine Tüte Popcorn und verlässt den Vorraum gleich wieder, um den Kinosnack mit Freunden in der Sonne zu genießen. Die Studentin an der Kasse meint, wenn mir mein Sitzplatz nicht gefalle, dann könne ich mich ruhig umsetzen, es sei ja »nicht so viel los heute«. Sie untertreibt: Gar nichts ist los!

Dennoch werde ich am Einlass nach oben rechts zum kleinen Saal geleitet. New Yorck steht in großen Buchstaben über der Eingangstür. Als ich den Raum betrete, verstehe ich, warum das Umsetzen kein Problem ist: Außer mir sind noch drei weitere Zuschauer im Saal! Zwei von ihnen tragen eine Brille. Das heißt: 50 Prozent der Besucher sind Brillenträger. Ich rechne aus, dass ich mit meinen schlanken 22 Jahren den Altersdurchschnitt in Saal deutlich verringere, nämlich von 60 auf 50!

Dass eine Biopic über Amy Winehouse hauptsächlich Sechzigjährige anzieht, hätte ich nicht gedacht. Aber gut, es war ja auch so ein sonniger Nachmittag und Back to Black lief schon einige Wochen. Beim letzten Werbespot vor dem Film huschte dann noch Person Nummer Fünf herein, von der ich später die nackten Füße auf den Sitzlehnen einige Plätze links von mir begutachten durfte.

Ob der Film in allen Aspekten historisch einwandfrei ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß wahrscheinlich genau das, was alle über Amy Winehouse wissen. Aber ich habe dazu gelernt, denn ich bin bis zum Ende geblieben und hatte sogar - wie das bei Amy Winehouse nun mal so ist - an manchen Stellen das starke Bedürfnis, laut mitzusingen. Hätte ich mich auch nur halb so zu Hause gefühlt wie die Frau mit den Füßen auf der Lehne, dann hätte ich das vielleicht sogar getan.

Die Figur der Amy Winehouse war schwer greifbar und irritierend. Aber vielleicht war das gewollt. Wenn dem so war, dann ist der Film gut - wenn nicht, dann war die Schauspielerin etwas zu cringe. Vielleicht ist es aber auch so gut wie unmöglich, die Stimme von Amy Winehouse zu imitieren.

Der Film beginnt mit der Achtzehnjährigen, begleitet sie beim musikalischen Durchbruch und fokussiert die wichtigen Beziehungen in ihrem Leben: Die Oma, die sie selbst ihre Ikone nennt; den Vater, der sie auf ihrem Weg zum Erfolg und auch in den Entzug begleitet; den Ehemann, dem viele ihrer Freunde die Schuld an der Drogensucht geben. Sie trifft ihn in einer Bar, die beiden haben eine sehr intensive Beziehung, nach deren Ende sie jenes Album schreibt, welches sie weltberühmt macht. Ob historisch richtig oder falsch - ich weiß auf jeden Fall, welche Musik ich heute Abend beim Kochen hören werde!


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