Kreuzberger Chronik
Juli 2024 - Ausgabe 261

Tenzer

Stammgäste


linie

von Gerhard Tenzer

1pixgif





































Das vielleicht am häufigsten gewählte Hintergrundmotiv in Tenzers Kreuzberg-Szenen ist das Yorckschlösschen. Immer wieder diente das Jazzlokal mit der Granitsäule in der Mitte, der kleinen Bühne und dem Stuck an der Decke als Kulisse für seine Phantasien. Das »Schlösschen« war sein zweites Zuhause, er brauchte nur die Straße zu überqueren und sie waren alle da: Rudy, Wolfgang, Ernie, Charly, Niels... - all die Musiker, mit denen er auf der Bühne und am Tresen stand. Und natürlich Olaf, der Wirt, den er seit ewigen Zeiten kennt.

Auf diesem Bild hat Tenzer fünf Stammgäste verewigt, die nur fehlten, wenn eine Grippe oder eine andere Unpässlichkeit sie ans Bett fesselte. Doch auch ihnen erging es irgendwann wie vielen anderen Stammgästen in vielen anderen Kneipen dieser Welt: Sie fühlten sich derart heimisch im Stammlokal, dass sie ständig über die Stränge schlugen und Hausverbot vom Wirt erhielten.

Die fünf schmerzlich Bestraften, die Gerhard Tenzer auf seinem Bild im leeren Lokal um einen Tisch drapierte, sind – unverkennbar – von links nach rechts: sitzend und mit der klugen Brille auf der Nase: Horst Runkel, Herausgeber der neuen Kreuzberger Zeitung; stehend mit dem Bier dahinter: Hans Meier, der süddeutsche Musiker; sitzend, mit Hut und dickglasiger Brille: Klaus Dambacher; vor der Säule stehend der langhaarige Otto, und rechts unten endlich Fummelwerner, der Frauenverehrer, der einfach nicht still halten konnte, wenn sich eine Frau in seine Nähe setzte.

Sie alle sind längst vergessen, die meisten gestorben. Tenzer hat ihnen mit diesem Bild ein kleines Denkmal gesetzt.


zurück zum Inhalt
© Außenseiter-Verlag 2025, Berlin-Kreuzberg