Kreuzberger Chronik
Juli 2024 - Ausgabe 261

Mühlenhaupts Erinnerungen

Vom alten Haus


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von Kurt Mühlenhaupt

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Wohnste lange im Haus, denn jibt et nischt, wat dir verborjenjeblieben is. Wohnste noch nich so lange, bleibt dir ooch nischt verborjen, weil et zwei, drei Frauen gibt, die et gar nich aushalten, schnell genug ihre Neuigkeiten loszuwerden. Die schnattern und schnattern, aber hör se dir alle an, sonst kanns dir passieren, det de falsch informiert bist. Jede wird dir wat anderet erzählen und nu mußte die goldene Mitte suchen.

Dat jeht natürlich jenau so schnell, bis se allet von dir wissen. Versuche nie, irjentwat janz jeheim zu halten. Nichmal die dunkelsten Punkte. Vor so ville Augen und Ohren bleibt nischt jeheim. (...)

An sich sollte einen ja sowat allet kalt lassen, solln se doch rumraten! Aber so lange se rumraten, jehörste nich zum Haus. Wat de auch für ne Verjangenheit hattest. Besser mit als gar keene Verjangenheit! Ohne Verjangenheit is schlecht, weil se nischt zu quatschen ham. De Verjangenheit darf ooch jeheimnisvoll sein. Mit ner jeheimnisvollen Verjangenheit wirst de jenauso jeachtet, ja, et is sogar so, det du endlich det Jeheimnis loswirst, und de anderen schleppen et denn mit sich herum.

Wie jesagt: Et hat keen Zweck, den andern wat vorzumachen. Et hat ooch keen Zweck, so zu tun als ob. Oder mehr zu sein als de bist. Wohnste in so einem Haus, denn biste der, der de bist, ejal, ob de als Nachtwächter oder als erste Hand vom Chef deen Geld verdienst. Du kannst noch mehr sein, deswejen biste doch nicht mehr.


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