Dezember 2024 - Ausgabe 265
Frisch von der Leinwand
Anora ![]() von Anna Prinzinger |
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Diese BVG bringt einen zum Wahnsinn. Ich wollte doch nur von 61 nach 36, und dann fährt dieser Busfahrer einen Riesenumweg! Ich dachte schon, ich komme zu spät, die lassen mich nicht mehr rein, aber am Oranienplatz ließ diese Halbglatze am Steuer mich dann aussteigen, und dann waren es ja nur noch zwei Minuten zu Fuß bis zum Babylon. Doch als ich da war, war das Gitter vor der Eingangstür heruntergelassen. Etwa doch zu spät? Aber nee, dieses hinter den Betonklötzen des Kottbusser Tors versteckte Kino hatte noch gar nicht offen! Schon hatte sich eine Menschentraube vor dem Gitter versammelt, und fünf Minuten später rüttelte einer an dem schäbigen Gitter und rief: »It is fucking freezing out here, let us in!« Im gleichen Tonfall ging es drinnen weiter: Jemandem, der mit Schimpfwörtern ein Problem hat, ist dieser Film nicht zu empfehlen. Es wird ständig geflucht, sich beschimpft und herumgeschrien. Das nervt. Es sei denn, man findet es witzig. Anora, eigentlich Ani, arbeitet als Tänzerin in einem noblen Stripclub in New York. An diesem Abend soll sie sich um einen jungen und reichen russischen Gast kümmern, der lieber Party macht als zu studieren, wozu er eigentlich nach Amerika gekommen ist. Ivan »Wanja« Zakharov, der rebellische Sohn eines russischen Oligarchen, mag diese Ani und bietet ihr an, für eine Woche seine Freundin zu sein. Gegen Bezahlung. Sie antwortet prompt: »Fifteen. Cash, up front.« Doch die beiden entwickeln eine Zuneigung füreinander und heiraten spontan in Las Vegas. Als Ivans Familie Wind davon bekommt, versucht sie, die Ehe zu annullieren. Doch Anora will davon nichts wissen. Als Ivans Patenonkel und zwei seiner Handlanger bei ihnen auftauchen, ergreift Ivan die Flucht und lässt Anora mit den drei Besuchern allein zurück. Gemeinsam macht sich die ungewöhnliche Vierergruppe auf die Suche nach dem verschwundenen Ivan und findet ihn komplett zugedröhnt in Anoras Stripclub. Als nun auch noch Ivans Eltern anreisen, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen, geht es endgültig drunter und drüber. Anora, die ohnehin nie ein Blatt vor den Mund nimmt, hat für jeden Vorwurf eine Antwort, auch wenn die nur aus einer Beleidigung besteht. Ihre viel gebrauchten Lieblingsworte sind zweifellos »fucking motherfucker!« Der Film lebt von flotten Bildern und schnellen Dialogen, alle Darsteller sind lebhaft und temperamentvoll. Für Vorgeschichten oder Hintergrundwissen bleibt keine Zeit, der Fokus liegt auf dem aktuellen Geschehen. Ein witziger Film also, der viel Spaß machen kann, und das auch tut - dem lauten Lachen der Besucher nach zu urteilen. |