Kreuzberger Chronik
September 2022 - Ausgabe 242

Mühlenhaupts Erinnerungen

Das Haus am Lützowplatz


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von Kurt Mühlenhaupt

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Das Haus am Lützowplatz sollte den Künstlern ein Zuhause geben. Drei Stockwerke mit Ausstellungsräumen waren dafür vorgesehen. Der Anbau für die Berlingäste, und im Keller befand sich eine Restauration. An alles war gedacht, nur nicht daran, dass sich Künstler ihr Domizil selbst suchen. Da die Räume meist leer bleiben, wurde Jule Hammer auf seine Art aktiv. Er war einstmals ein Clown, der sich für die SPD nützlich machte. Jule Hammer holte den Kabarettisten Wolfgang Neuss ließ ihn in seinem Keller pauken und trommeln. Er tat nicht nur was für die Kultur, sondern er half auch dem Kabarettisten Neuss, dessen Freund und Partner Müller gerade mit dem Flugzeug umgekommen war.

Neuss wurde ein Alleinunterhalter. Er war ein Unikum und nahm kein Blatt vor den Mund, er hatte Format und füllte den Keller. Gutsituierte Bürger mit Schlips und Kragen ließen sich von ihm beschimpfen. Er gab ihnen das, was dem Herrn Generaldirektor im Leben fehlte. Alles wurde von lauten Paukenschlägen begleitet, das ganze Haus dröhnte. Ich hörte ihn das erste mal pauken, als ich mit meinen Bildern die oberen Stockwerke füllte. Man kann sich größere Gegensätze nicht vorstellen. Schon das Outfit der einzelnen Bürger trug dazu bei. Ich war mit einem Packerhemd bekleidet, das war die Arbeitskleidung der Möbelträger. Damals war ich der Meinung, sie mit Recht zu tragen. Es ärgerte mich ein Leben lang, dass sich die einen von den anderen die Schuhe putzen ließen. Meine putze ich überhaupt nicht, die werden einmal im Jahr eingefettet. So stand ich auf der Treppe und hörte den Wolfgang pauken. Er machte um mich ein Brimborium und stellte mich als einzigen Menschen im Raum vor. Ich hätte im Boden versinken können. Trotz alledem war es der Beginn einer langen Freundschaft.

Auf dieser Ausstellung lernte ich viele Menschen kennen. Die einen lachten über mich, die anderen wunderten sich. Aber am Ende zählte doch die Malerei, und es zeigte sich, dass ich auf dem richtigen Weg war. Ich hatte einen riesigen Ausstellungserfolg. Es gab viele, die den abstrakten Quatsch satt hatten. Ich stellte den Alltag der Menschen dar, wie ich ihn sah. So war es nicht verwunderlich dass diese Ausstellung auch andere Galeristen anzog. Ich bekam eine Einladung von der Domgalerie in Köln, die schon in den zwanziger Jahren die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Ich sollte dort meine Bilder zeigen. Aber so schnell ging das nicht. Viele Bilder hatte ich verkauft, ich mußte neue malen, und dazu brauchte ich Zeit.

Entnommen aus Kurt Mühlenhaupts autobiographischem Werk in 11 Bänden, erhältlich im Kurt Mühlenhaupt Museum, Fidicinstraße 40


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