Kreuzberger Chronik
Mai 2017 - Ausgabe 189

Essen, Trinken, Rauchen

Sas und der pinke Panda


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von Saskia Vogel

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Zwei Damen im ökologisch korrekten Mantel stehen unschlüssig im Panda Noodle Ramen herum. Zwei Freundinnen on Tour. Womöglich frisch von den Wechseljahren genesen, offen für Buntes und Schrilles. Hier sei alles pink. »Hihihi. Hahaha. Wirklich komisch!«, flüstert die eine der anderen zu.

Als Sas das Lokal betritt, schlägt ihr eine olfaktorische Mischung aus Küche und Toilette entgegen. Die Wandbilder mit Mangas und Soft-Erotik sind mit kleinen Lichterketten beleuchtet. BLINK! PINK! KOPFSCHMERZ! Das »Panda« ist nämlich nicht nur einfach ein Restaurant, es ist ein kleiner Erlebnispark, eine kleine »Kitsch Kirmes« am ansonsten eher dezenten Lausitzer Platz. Und der süße Pandabär, dessen Konterfei überall prangt, ist ganz offensichtlich auf LSD.

»Hello, what kann ich tun für dich?« Die Self-Service-Bedienung im »Panda«-Imbiss ist tatsächlich nett. Ehrlich und sympathisch. Echt asiatisch. Eine wirklich herzliche junge Frau. Sas würde gerne jeden schlechten Gedanken über das Lokal vermeiden, das versucht, Ramen in Plastikgeschirr zu verkaufen. Aber sie kann es nicht.

»Yes, ähhh. Wie funktioniert das hier?« Sas war noch nie in Asien. Sas lernt: Ramen sind japanische Nudeln in Brühe, die angeblich gerade die Welt erobern. Die Bestellung dauert, denn auch der Rest der Menükarte ist erklärungsbedürftig: Zu den Ramen gibt es »Lime and Cilantro« gratis und dann heißt es: »Pick a Pickle!« Für gewöhnlich drückt sich Sas ihre Pickel selbst aus, hier kann sie unter zwei »Toppings« wählen, die da wären: »Cucumber Quick Pickle« oder »Cubed Kimchi«. Und »Dan Dan Pandastyle« als Sauce. Na dann, dann. Auch dem älteren Damen-Duo muss erläutert werden, wie das Menü-Tetris läuft. »Kriegen wir die Carrots Wasabi umsonst?«-»Pickle ist doch Eingelegtes, oder?« Die Hausfrauen fachsimpeln über Hausfrauliches.

Schlussendlich bekommt Sas ein Plastiktablett mit Plastikschälchen und Essen aus Technopolymeren. Es gibt viel zu mischen und Japanische Croûtons in die Nudelsuppe zu kippen – herrlich für einen Kindergeburtstag! Nur die Ramen schmecken doch sehr fremdartig. Sie sind frisch zubereitet, ganz zweifellos, und doch erinnern sie an jene kleinen, versalzenen Instant-Päckchen, die Sas kürzlich an einem versoffenen Sonntag vor dem Fernseher verschlang.

Am Lausitzer Platz schlingt sie nicht. Nur ab und zu nimmt sie einen Löffel. Am Ende ist die Suppe kalt, und die Weichmacher aus dem ganzen Plaste&Elaste-Geschirr sind längst ins Essen übergegangen. Als Sas draußen auf dem Lausitzer Platz steht, fällt ihr ein, dass sie vor lauter BLINK-PINK und Ramen das Bezahlen vergessen hat! Sie wirft einen Blick zurück und sieht den pinken Panda, der ihr traurig hinterherblinkt. Sas hätte die 6,50 dem Bären wirklich gegönnt, dreht um, geht drei Schritte zurück, bleibt stehen, und... . •

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