Kreuzberger Chronik
September 2014 - Ausgabe 162

Briefwechsel

Zu viel Oskar!


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von P. Schwertnagel

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Ich bin seit langem ein treuer Leser der Kreuzberger Chronik, aber als ich das Oskar-Heft in der Hand hielt, dachte ich: Da haben sie es sich aber diesmal leicht gemacht. Ein ganzes Heft über eine einzige Person! Und dann noch eine, die kein Mensch kennt! Das kann doch nur langweilig werden. Zu viel Oskar!

Dementsprechend skeptisch habe ich dann mit der Lektüre begonnen, aber schon nach der Geschichte über die Oranienstraße 33 war ich neugierig auf diesen Oskar Huth. Und je mehr ich dann las über ihn, je mehr seiner offensichtlich alten Freunde da zu Wort kamen, um so interessanter wurde diese ganze Geschichte. Auch wenn sich die Freunde in ihren Erinnerungen allmählich wiederholten und irgendwie doch immer nur die gleichen Geschichten vom kleinen Betrüger erzählten. Einem Betrüger, dem aber niemand böse sein konnte. Einem, der nicht davor zurückschreckte, auch seine besten Freunde übers Ohr zu hauen, den diese besten Freunde dennoch liebten, und dem sie alles verziehen.

Das ist doch erstaunlich und erklärt wohl auch, warum Autoren wie Enzensberger und Grass auf ihn zurückgriffen. Oskar Huth ist eine Figur, die für einen Roman wie geschaffen ist. Die uns Rätsel aufgibt und den Leser nicht loslässt. Von der man wissen möchte, wie sie endet. Ob nicht doch einer einmal böse wird und ihn zur Rechenschaft zieht. Oder ob er am Ende bereut und die Gaunereien bleiben lässt. So eine Figur kann über hunderte von Seiten für Spannung sorgen. Dann reicht es auch für 36 Seiten.

Ein Kompliment also an Oskar Huth und an die Redaktion, die nicht in Lobeshymnen ausbricht, nicht den Widerständler heraufbeschworen, sondern versucht hat, den Menschen mit all seinen Schwächen und Fehlern, Stärken und Vorteilen zu porträtieren. Ich werde auch dieses Heft in meinem Bücherregal aufbewahren.

Sehr geehrter Leser,

Wir waren anfangs ebenso skeptisch wie Sie. Wir waren es sogar noch, als wir unsere Daten an die Druckerei schickten. Wir hatten noch immer das Gefühl, dass wir nicht fertig waren und noch vieles korrigieren oder hinzufügen müssten, um dieses Heft zu einer runden Sache zu machen. Aber vielleicht muss auch gar nicht immer alles rund und perfekt sein. Manchmal reicht ja eine Idee, ein Entwurf, eine Skizze, und jeder versteht, worum es geht.

Die vielen Kommentare jedenfalls, die wir zu diesem Heft erhalten haben, lassen nur einen Schluss zu: Oskar Huth war eine der schillerndsten Persönlichkeiten Kreuzbergs. Er hat es also offensichtlich verdient, dass man ihm dieses Heft und eine Ausstellung in der Browse Gallery widmete.


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