Kreuzberger Chronik
Mai 2010 - Ausgabe 117

Essen, Trinken, Rauchen

Sas und der Strawberryflip


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von Saskia Vogel

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Im Tomasa ist die Bedienung adrett und serviceorientiert. In schwarzer Schürze bringt sie hin und räumt sie weg, fegt Böden und poliert Gläser. Der Kellner bringt Sas einen »Strawberry Flip« und räumt ihr dafür 3,60 Euro aus dem Portemonnaie. »Flip« ist ein »Duftender Früchtetee mit einem süßen Geschmack von frischen Erdbeeren mit Sahne in einer dunkelroten Farbe«.

Alles in der Villa Kreuzberg ist ein bisschen üppiger. Im Erdgeschoss zwei Gasträume, im Obergeschoss drei weitere, alle aus dem 19. Jahrhundert. Mit Sitzlounge, Balkonblick auf den Viktoriapark und Spielzimmerchen für den Nachwuchs. Und wenn sonst das »Kleine Frühstück« mit Croissant und Butter daherkommt, darf es im Tomasa schon mal Hähnchen-Pfirsich-Salat sein. Müssen es aber auch 8,70 Euro sein. Nur das Business-Lunch, heute Putenfilet in Cornflakes-Mandel-Panade, könnte sich Sas für ihr 5er-Scheinchen leisten. »Trauung und Hochzeit im Festsaal« wird sie wohl nie finanzieren können.

Der Blumenlieferant schon eher: In der alten Villa stehen Flieder-Gestecke neben güldenen Spiegeln, Blumenkaltschalen im Tresenbereich, Orchideen auf dem Klo. Nur die Blumenhaarspange in der FDP-Hochsteckfrisur der Blonden, die hat ihr der gutgekleidete Lebenspartner bezahlt. Am Nebentisch küsst er seinem »Schatz« gerade die Perlenohrringe. Gutsituierte Jungjuristen zücken umstandslos für Sekt und Eis die Kreditkarte.

In der Küche hantieren dafür Pakistanis oder Inder mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, Pfannen zischen, Geschirr klappert, es klingt nach Groß-Gastronomie. Sas gegenüber, vor altrosa Tapete, klappert niemand. Unterhält sich auch niemand. Da sitzen Herr und Frau Söthbier. Sie sitzen gerne in teuren Lokalitäten, in denen trotz moderner Einrichtung immer ein Duft süßen Parfüms in der Luft hängt. Während Frau Söthbier den verkniffenen Mund in Richtung Nasolabialfalte verzieht und Herr Söthbier pikiert an seinem Siegelring dreht, stürmt eine Brünette, ebenfalls mit verkniffener Falte, am Tisch der Herrschaften vorbei. Typ »das habe ich gar nicht nötig«Marketing-Projektleiterin, Ende 30. An der Leine einen Hund, einen großen Hund. Einen Hund-statt-Kind Hund. Denn zum Benetton-Pullunder passt eine Karriere besser als ein Kind.

Schade, denkt Sas. Sie könnte so glücklich sein! Im Tomasa heiraten, mit einem Festmahl am blütenrein ausstaffierten Tisch. Monate später den gesetzlich legitimierten Nachwuchs im hauseigenen Spielzimmerchen abladen, während du Baguette mit Limettencreme isst, weil du eine 1,80 Euro Wurst-Schrippe vom Billig-Bäcker weiß Gott nicht nötig hast. •

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