Kreuzberger Chronik
Mai 2009 - Ausgabe 107

Geschäfte

Blumen 61


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von Stephanie Jaeckel

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Der Blumenladen in der Zossener Straße hat keine Kühlanlage. Die Blumen sind trotzdem frisch

BLUMEN 61, der Name ist was für Eingesessene. Oder wer weiß auf Anhieb, dass der Laden früher in der Gneisenaustraße war? Der Gneisenau 61: jawohl! Aber auch, wer an die alte Zustellnummer des Bezirks gedacht hat, liegt nicht so falsch, und wer an frische, knackige Blumen und an perfekt gebundene Sträuße denkt, sowieso nicht. Ein Eingesessener hat erzählt, wie er in New York jemanden nach dem Weg fragte, und sich nach einem kurzen Woher und Wohin mit der Frage konfrontiert fand: Do you know Blumen 61? Er kannte und brachte die gute Nachricht gleich in die Zossener Nummer 20.
Heike Janke freut sich immer über die Komplimente ihrer Kunden, und gibt sie gleich wieder zurück: »Die Kunden hier in Kreuzberg machen einfach Spaß. Es gibt Situationen, da stehen sie bis auf die Straße. Und selbst dann kommt es vor, dass wir nichts zu tun haben und hinter dem Tresen Däumchen drehen, weil alle erstmal miteinander reden wollen.« Schade findet sie nur, dass sie selbst kaum noch Zeit hat, um mit ihren Kunden zu plaudern, weil sie jeden Morgen um vier zum Großmarkt fahren muss und deshalb spätestens um zwölf Uhr mittags Feierabend macht. Zu Hause wartet dann ja ohnehin noch die Buchführung.
Aber auch die Welt des Großmarktes ist faszinierend, und »ich bin da schon ziemlich verrufen, weil ich jedes Bund aufmache. Das dauert natürlich viel länger, aber mittlerweile akzeptieren sie mich.« Heike Janke nennt es »Narrenfreiheit«, aber eigentlich ist es bloß der Wunsch nach Qualität. »Natürlich habe ich eine Einkaufsliste dabei, aber wenn ich etwas Schönes sehe, kaufe ich. Oder anders herum: Ich verkaufe nur, was ich selbst kaufen würde.«

Foto: Michael Hughes
Dennoch überkommen die passionierte Blumenhänd-
lerin manchmal Zweifel an der Wahl ihres Berufes. Beim letzten Klassentreffen zum Beispiel, als einige der alten Klassenkameradinnen von ihren gut bezahlten Jobs mit Gleitzeit und freien Wochenenden erzählten. »Aber das geht nicht«, stellt Heike Janke nach einigem Überlegen fest, »ich passe einfach nicht ins Büro«.
Großaufträge gehen auch nicht, denn Blumen 61 hat keine Kühlung. Als die Berlinale im Januar anfragte, musste Heike Janke absagen: »Wo soll ich denn hin mit 90 Sträußen auf einmal? Nein, wir sind ein Laden für Leute, die Blumen für sich kaufen oder für ihre Freunde.« Man kann es Narrenfreiheit nennen. Man kann sich aber auch über den Luxus freuen, an jedem Tag der Woche frische Blumen haben zu können. Und nicht nur montags oder freitags. •


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