Kreuzberger Chronik
Februar 2003 - Ausgabe 44

Die Freizeit

Museumsbesuche III: Im Gropiusbau


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von Gerhardt Lauterbach

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Der Gropiusbau widmet sich derzeit der fernen Vergangenheit. Allerdings nicht der Ägyptens oder Griechenlands. Nein, Deutschland ist groß, und Deutschland ist – das versucht die aktuelle Ausstellung zu suggerieren – soweit von Troja, Knossos oder den Pyramiden gar nicht entfernt.

Über 3000 nebeneinandergelegte »Archivkästen«, in der großen Halle zu einem hübschen Mosaik ausgebreitet, sollen das verdeutlichen. Darin befinden sich, nach Farben sortiert, vor allem Scherben. Tonfarbene Tonscherben, grün lasierte Tonscherben, von der Zeit geschwärzte Tonscherben und einige gräulich schimmernde Knochen. In der Mitte hindurch führt der Weg des Besuchers, vorbei an einigen glänzenden Einzelfunden, goldenen Schmuckstücken oder einem silbernen Ring, der gut und gerne den Hals einer Kuh beim Almabtrieb schmücken könnte und dessen »genaue Herkunft, Zeitstellung und Bedeutung die Forscher noch immer beschäftigt«. Doch immerhin schätzt man das Alter des silbernen Schwergewichts auf etwa 2200 oder 2300 Jahre.

Das sind die Highlights. Doch derlei prunkvolle Kultgegenstände gibt es vergleichsweise wenige. Was der deutsche Boden hergab, das waren vor allem Knochen und Fossilien, allen voran die Sammlung aus einem ehemaligen Vulkankrater im Odenwald, in dem sich in den fünfziger Jahren noch eine Ziegelbrennerei neben einer Tongrube befand, die nach Ausschöpfung der Ressourcen mit neuzeitlichem Müll vollgekippt werden sollte. Kürzlich wurde die Messeler Grube zum Weltkulturerbe erklärt. Wunderschöne Skelettabdrücke von Krokodilen, Schildkröten, dem übellaunig aussehenden Schlammfisch, dem Urpferdchen und anderen Bewohnern eines subtropischen Waldes sind die Zeugen eines 40 Millionen Jahre alten Kapitels aus der Geschichte des Odenwaldes.

Auch der alte Neandertaler ist nicht in Düsseldorf geblieben. In einem abgedunkelten, von schwarzem Samt umgebenen Raum, aufgebahrt in einem gläsernen Sarkophag wie Schneewittchen, liegen auf einer von unten angestrahlten Milchglasscheibe seine bräunlichen Gebeine. Gewaltige Schenkelknochen, einige zarte Rippen und eine eher zierliche Schädelplatte haben den langen Weg aus dem Tal bei Düsseldorf nach Berlin nicht gescheut, um die Hauptstädter zu faszinieren.

Ein 400000 Jahre alter Speer schwimmt zum Zweck der Konservierung in einem beleuchteten Aquarium. Nicht mehr als ein leicht gebogenes, zwei Meter langes Stück Holz, an dem jeder ahnungslose Waldspaziergänger vorübergehen würde. Nicht so jene beiden Wissenschaftler, die den »ältesten Speer der Menschheit« vor gar nicht langer Zeit in einem Tagebaugebiet in Schöningen ausgruben. Ein Foto zeigt die Archäologen kniend neben dem Fund im Raum der »Sammler und Jäger«. Auch schwärzliche Sauriergebisse, längst erloschene Feuerstellen, Angelhaken aus Holz oder Reste alter Seile, aus denen urzeitliche Fischer Netze knüpften, versuchen, ein Bild vergangener Zeiten heraufzubeschwören.

Nach Christus geht es chronologisch weiter durch die Zeiten der Germanen und der Römer, der Merowinger und der Wikinger, bis hin zum umstrittenen Fahrerbunker, über den man 1990 stolperte, als Minensuchtrupps den ehemaligen Todesstreifen durchsuchten, weil Pink Floyd ein gigantisches Konzert plante. Doch im leidgeplagten, jedem möglichen Vorwurf des Antisemitismus schon von Ferne ausweichenden Berlin, haben die Aussteller die Nazi-Kunst aus dem Bunker pietätvoll verhängt. Nur durch kleine Schlitze kann sehen, wer sehen möchte.

Ansonsten gab der Boden der Hauptstadt wenig her. Auch das prächtigste, am häufigsten in den Berliner Zeitungen abgebildete Fundstück der Ausstellung, der »Berliner Goldhut«, wurde von der Metropole weit entfernt gefunden. Berlin, so scheint es, ist für archäologische Spekulanten ein wenig spektakuläres Pflaster. Doch wer weiß, was zukünftige Archäologen in einigen Jahrtausenden hier finden werden.
Der Gropiusbau widmet sich derzeit der fernen Vergangenheit. Allerdings nicht der Ägyptens oder Griechenlands. Nein, Deutschland ist groß, und Deutschland ist – das versucht die aktuelle Ausstellung zu suggerieren – soweit von Troja, Knossos oder den Pyramiden gar nicht entfernt.

Über 3000 nebeneinandergelegte »Archivkästen«, in der großen Halle zu einem hübschen Mosaik ausgebreitet, sollen das verdeutlichen. Darin befinden sich, nach Farben sortiert, vor allem Scherben. Tonfarbene Tonscherben, grün lasierte Tonscherben, von der Zeit geschwärzte Tonscherben und einige gräulich schimmernde Knochen. In der Mitte hindurch führt der Weg des Besuchers, vorbei an einigen glänzenden Einzelfunden, goldenen Schmuckstücken oder einem silbernen Ring, der gut und gerne den Hals einer Kuh beim Almabtrieb schmücken könnte und dessen »genaue Herkunft, Zeitstellung und Bedeutung die Forscher noch immer beschäftigt«. Doch immerhin schätzt man das Alter des silbernen Schwergewichts auf etwa 2200 oder 2300 Jahre.

Das sind die Highlights. Doch derlei prunkvolle Kultgegenstände gibt es vergleichsweise wenige. Was der deutsche Boden hergab, das waren vor allem Knochen und Fossilien, allen voran die Sammlung aus einem ehemaligen Vulkankrater im Odenwald, in dem sich in den fünfziger Jahren noch eine Ziegelbrennerei neben einer Tongrube befand, die nach Ausschöpfung der Ressourcen mit neuzeitlichem Müll vollgekippt werden sollte. Kürzlich wurde die Messeler Grube zum Weltkulturerbe erklärt. Wunderschöne Skelettabdrücke von Krokodilen, Schildkröten, dem übellaunig aussehenden Schlammfisch, dem Urpferdchen und anderen Bewohnern eines subtropischen Waldes sind die Zeugen eines 40 Millionen Jahre alten Kapitels aus der Geschichte des Odenwaldes.

Auch der alte Neandertaler ist nicht in Düsseldorf geblieben. In einem abgedunkelten, von schwarzem Samt umgebenen Raum, aufgebahrt in einem gläsernen Sarkophag wie Schneewittchen, liegen auf einer von unten angestrahlten Milchglasscheibe seine bräunlichen Gebeine. Gewaltige Schenkelknochen, einige zarte Rippen und eine eher zierliche Schädelplatte haben den langen Weg aus dem Tal bei Düsseldorf nach Berlin nicht gescheut, um die Hauptstädter zu faszinieren.

Ein 400000 Jahre alter Speer schwimmt zum Zweck der Konservierung in einem beleuchteten Aquarium. Nicht mehr als ein leicht gebogenes, zwei Meter langes Stück Holz, an dem jeder ahnungslose Waldspaziergänger vorübergehen würde. Nicht so jene beiden Wissenschaftler, die den »ältesten Speer der Menschheit« vor gar nicht langer Zeit in einem Tagebaugebiet in Schöningen ausgruben. Ein Foto zeigt die Archäologen kniend neben dem Fund im Raum der »Sammler und Jäger«. Auch schwärzliche Sauriergebisse, längst erloschene Feuerstellen, Angelhaken aus Holz oder Reste alter Seile, aus denen urzeitliche Fischer Netze knüpften, versuchen, ein Bild vergangener Zeiten heraufzubeschwören.

Nach Christus geht es chronologisch weiter durch die Zeiten der Germanen und der Römer, der Merowinger und der Wikinger, bis hin zum umstrittenen Fahrerbunker, über den man 1990 stolperte, als Minensuchtrupps den ehemaligen Todesstreifen durchsuchten, weil Pink Floyd ein gigantisches Konzert plante. Doch im leidgeplagten, jedem möglichen Vorwurf des Antisemitismus schon von Ferne ausweichenden Berlin, haben die Aussteller die Nazi-Kunst aus dem Bunker pietätvoll verhängt. Nur durch kleine Schlitze kann sehen, wer sehen möchte.

Ansonsten gab der Boden der Hauptstadt wenig her. Auch das prächtigste, am häufigsten in den Berliner Zeitungen abgebildete Fundstück der Ausstellung, der »Berliner Goldhut«, wurde von der Metropole weit entfernt gefunden. Berlin, so scheint es, ist für archäologische Spekulanten ein wenig spektakuläres Pflaster. Doch wer weiß, was zukünftige Archäologen in einigen Jahrtausenden hier finden werden.
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