Kreuzberger Chronik
Juli 2017 - Ausgabe 191

Essen, Trinken, Rauchen

Sas probiert es ein zweites Mal


linie

von Saskia Vogel

1pixgif
Er würde Sas gerne einladen, in sein Lieblingsrestaurant: das Cocolo Ramen am Paul-Lincke-Ufer. Wie ein bockiger Elefant stapft Sas an ihrem Freund vorbei, über die lärmende Terrasse des Restaurants. Ein Blick in die Karte, die Sonnenbrille genervt gelüftet, reicht: Ramen – japanische Nudelsuppe! Widerlich. Am besten noch mit süßem Schweinebauch! Sas kennt das ja schon von ihrem letzten Ausflug nach Kreuzberg.

»Du hast ja noch nicht mal probiert!«, eröffnet Sas´ Freund die Parade. - »Was auf den Teller kommt, wird gegessen!« Sas ist verärgert. Sehr verärgert. Und wenn Sas sehr verärgert ist, ist sie sozusagen ungenießbar. So wie die Ramen. Ihr sei noch übel vom Panda Ramen, auch in Kreuzberg, wo sie letztens einen Plastikteller mit Maggi Fix heruntergewürgt habe. Schon bei dem Wort Ramen würde ihr übel. Aber in Kreuzberg sei das wohl gerade in Mode, der ganze Bezirk versinke derzeit in dieser asiatischen Brühe. Mit fragwürdigen Toppings. Bis zu ihr nach Pankow sei die Trendwelle Gott sei Dank noch nicht geschwappt.

Doch Sas´ Freund schwört auf Kreuzberg. Und auf das »Cocolo Ramen«. Hier gebe es keine Plastiktöpfe, sondern die »weltbeste« Nudelsuppe. Darüber sei sich der Kiez einig. Süßer Bauch und scharfes Hack, als Topping nicht zu toppen! Und die überfüllte Terrasse gehöre zum guten Ton. Wer Ramen essen wolle, die in SO36 besser seien als in Tokio, der müsse sich halt durchdrängeln. Er täte das jede Woche. Mittags und abends. Und nachmittags trinke er Reistee. Das sei hier eben Kreuzberg und nicht Pankow. Da gebe es ja nur Vanille. Und: wer seine geliebten Ramen nicht möge, der könne ihm gestohlen bleiben!

Sas rennt los. Am Kanal entlang, in die Reichenberger Straße. Sie wirft sich wütend auf einen schimmeligen Sessel, der mitten auf der Straße vor dem LPG Biomarkt steht. Ihr Freund hinterher. Man könne sich in der LPG ein Stück Tofu kaufen und kalt auf ebendiesem Sessel essen? Oder die nächste Falafel-Bude ansteuern? »Schon gut, schon gut!«, meint Sas: »Wir gehen in´s Cocolo! Aber wenn ich mich in der Mittagshitze übergeben muss, dann wischst du das alles wieder weg!«

Letztendlich muss niemand etwas aufwischen. Ihre Miso-Ramen gab es dann sogar mit vegetarischer Brühe. Ganz ohne bauchiges Hackfleisch. Sie schmeckten gar nicht so übel. »Home-made«, mit sättigenden Nudeln, frischem Gemüse – und ganz ohne diese versalzene Plastikbrühe.

Ein echter Ramen-Fan wird Sas wahrscheinlich trotzdem nicht. Diese japanischen Sachen sind nicht nach ihrem Geschmack. Dieses Grüntee-Eis zum Beispiel ist viel zu bitter für sie. Aber sie sagt lieber nichts. Sie liebt ja ihren Freund. Trotz all des japanischen Krams. •


zurück zum Inhalt
© Außenseiter-Verlag 2024, Berlin-Kreuzberg