Kreuzberger Chronik
Februar 2014 - Ausgabe 155

Geschäfte

Moser


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von Pavel Lokshin

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Bernd Moser ist der Schreibmaschinenmann. Er versteht etwas von Schreibmaschinen. Die Menschen aber sind ihm manchmal rätselhaft.



Moser ist seit 55 Jahren im Geschäft. »Irgendwann vor zwanzig Jahren oder sowas« hat er die Firma übernommen. Arndt Büromaschinen, steht über den Schaufenstern. Moser verkauft Drucker, Faxgeräte, DIN A4-Papier - mit Schreibmaschinen allein ist kein Umsatz zu machen. Trotzdem ist der Laden mit ihnen vollgestellt: Sie sind im Schaufenster, auf Mosers Schreibtisch neben seinem PC, in Transportkästen, im Hinterzimmer, wo Moser seine Werkstatt hat. Vorkriegsmodelle, Nachkriegsmodelle, Metall, Plastik, Remington, Erika, Olivetti. »Ich weiß gar nicht, wie viele ich hier so stehen habe,« sagt Moser, »In Berlin gibt’s vielleicht zwei Läden mit so einem Angebot.«

Moser zeigt mir einen seiner Schreibcomputer, einen Brother WP-77s aus den späten Achtzigern. Das Gerät sieht aus wie ein überdimensionierter Tischdrucker mit Bildschirm, ausklappbarer Tastatur und Diskettenlaufwerk. Im Inneren steckt eine Typenrad-Schreibmaschine. Es rattert kurz im giftgrünen Gehäuse, auf dem monochromen Bildschirm leuchten Buchstaben auf. An den Neupreis kann sich Moser nicht erinnern. »Nicht unter 1500 D-Mark. Und das war günstig. PCs kosteten ja damals 4000 D-Mark, ohne Drucker.«

Der Schreibtischkoloss kostet heute 289 Euro. Solche Vintage-Elektronik kaufen nur Sammler. Oder eben Menschen, die für ihre Altgeräte unbedingt Ersatz brauchen. Die Textdateien von damals kann kein aktueller PC auslesen. Selbst Diskettenlaufwerke sind seit über 10 Jahren verschwunden. Manchmal melden sich Produktionsfirmen bei Moser, wenn sie alte Schreibmaschinen für Film und Fernsehen brauchen. Für den giftgrünen Brother-Schreibcomputer hat sich noch nie ein Fernsehmensch interessiert.

Eine Kundin betritt den Laden, sie sucht nach einem Verlängerungskabel für ihr Telefon. «Hamwer nicht, Conrad, Hasenheide,« sagt Moser. »Ich wollte doch den Laden supporten,« meint die Frau halb empört, halb entschuldigend. Er könne doch nicht alles führen, erklärt Moser, als die Frau den Laden verlässt. Wer weiß, wie lange er’s noch macht? Da ergibt es keinen Sinn, das Lager vollzustopfen. Mosers Zehn-Jahres-Mietvertrag läuft in einem Jahr aus. Zu seinem Vermieter habe er ein gutes Verhältnis, aber die Miete könnte ja trotzdem steigen. »Aber es wird schon irgendwie funktionieren. Sonst reparieren wir auf der Straße«. Moser lacht kurz auf.

Ein neuer Kunde, er hatte sich zuvor telefonisch angekündigt. Für ein Kunstprojekt wird eine geschlossene Schreibmaschine gesucht. Eine, die hübsch aussieht und für einen Umbau der Typenhebel geeignet ist. Moser und der Künstler holen eine Schreibmaschine vom obersten Regal hinter der Theke. Eine Rheinmetall GS aus der Nachkriegszeit, im mattschwarzen Aluminiumgehäuse und mit Kräusellack.

Foto: Cornelia Schmidt
Moser erklärt dem Künstler die Bedienung. Ihm gefällt das Schriftbild, »Aber am liebsten hätte ich ja die Garamond, weltweit schönste Schrift,« erklärt der Künstler. »Gibt’s nicht mehr,« sagt Moser. So einiges gibt es nicht mehr. Die elektrischen Schreibmaschinen mit Kugelkopf zum Beispiel. Außer in Mosers Laden. Eine tiefrote IBM Selectric steht da. Noch ein paar davon hat Moser auf Lager.

Der Künstler ist immer noch mit der schwarzen Rheinmetall zugange: »Gibt es denn Modelle, die umbaufreundlicher sind?« Moser: »Nee. Stellen Sie sich das nicht so einfach vor, das ist Stahl.« - »Die Maschinen sind ein Albtraum, aber irgendwie geht’s immer,« gibt sich der Künstler optimistisch. Moser: »Das ist ‘ne Arbeit… ich kann Sie nur warnen.« Der Künstler: »Es macht Ihnen doch Spaß, mich zu demotivieren!« Moser kichert: »Sie lassen sich da auf was ein!«

Meist hat er mit Sammlern zu tun, die an derart extravaganten Tüfteleien kein Interesse haben. Sie wollen nichts weiter als eine funktionierende Maschine. Moser selbst sammelt keine: »Wozu?« In seinem Laden stehen ohnehin fünf Dutzend davon. Intakte Maschinen, bereit zum Verkauf, oder Kundengeräte, die auf ihre Reparatur warten. Und die kann dauern, denn manche Ersatzteile müssen extra angefertigt werden. Moser lässt sich auch Zeit. Es ist keine Seltenheit, dass eine Reparatur drei Monate dauert. Kein Problem für Sammler. Manchmal kommen auch jüngere Kunden, »so Mädels« - die sind bereit, für die Reparatur eines Familienerbstücks 100 Euro zu bezahlen.

Der Künstler hat sich inzwischen in die unterste Preisklasse vorgearbeitet. Alte Kaufhaus-Schreibmaschinen von Quelle und Neckermann, um 50 Euro. Moser hat keinen Respekt vor diesen Billigfabrikaten. »Blechmaschinen nannten wir die früher.« Es reicht, dass die Typenhebel sich einmal verhaken, schon sind sie verbogen. »Kein Stahl,« sagt Moser abfällig. Der Künstler hat genug gesehen. »Herr Moser,« bedankt er sich, »Sie sind ein Held!« Moser verneint: »Ich bin kein Held, ich bin bloß alt geworden.« Der Künstler verlässt den Laden, gekauft hat er nichts. Wird er es schaffen? »Ach, nee. Glaube ich nicht.« Moser lächelt wissend. «Da braucht man Spezialwerkzeug.« •

Foto: Cornelia Schmidt
Die Erika für die blonden Sekretärinnen der legendären Sechziger




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