Kreuzberger Chronik
Mai 2012 - Ausgabe 137

Das Essen

Bubblekügelchen auf der Straße


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von Saskia Vogel

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In der Tür des »Bubble Tea«-Ladens mit dem Namen »BoboQ« hängt ein ernstes Schild: Die Kunden werden gebeten, die Tapiocka-Perlen, die in dem Tee schwimmen, nicht mehr gegen die Schaufenster auf dem Mehringdamm zu spucken. Die Reinigung würde hohe Kosten verursachen, die dann auf die Getränkepreise umgelegt werden müssten.

Noch teurer? Sas ist über die 3,30 Euro für einen Becher »QQ Caramel Oolong Milk Tea« eh schon geschockt. Aber Bubble-Tea ist schließlich der letzte Schrei. Weil Marketing-Experten herausfanden, dass im Kaffeemarkt nach Kreationen wie Latte-Macchiato mit Vanille-Sirup »nichts mehr Neues geht«, muss jetzt der Tee ran. Hier sind unzählige Kombinationen möglich – »Unser QQ Coconut zum Beispiel ist ganz ganz toll«, quietscht es vom Tresen herüber. Bedient wird Sas nämlich von einem kleinen Asia-Manga-Mädchen mit derart perfekter Haut, dass sie sich perfekt in das sterile Ambiente des Ladens einfügt. Aus dem Radio tönt »I just can´t get enough«-Pop, und an der Wand hat sich die »Bubble-Tea«-Gemeinde auf Polaroids verewigt: Boys & Girls mit künstlichen Fingernägeln, die tatsächlich meinen, »Yummy Yummy Bubble-Tea« wäre ein geistreicher Spruch.

Ob Sas beraten werden möchte, fragt die kleine Manga-Fee. Nur zu, sagt Sas und erfährt, dass der Bubble-Tea aus Taiwan käme und auf der »Basis von Tee oder Milch« und mit Kügelchen aus dem »Stärkemehl Tapioka« … - Die Kleine überschlägt sich vor Eifer, immerhin gibt es 45 Teesorten und dazu 16 Toppings, und wenn sie die alle vorstellen möchte, dann muss sie sich beeilen. Denn das, kombiniert Sas, sind immerhin 45x44x43x42x... also gaaaanz viele Kombinationen! Stoff genug, der zuckersüchtigen und farbgeilen Supermodel-Superstar-Jugend exorbitante Höhepunkte zu verschaffen.

Nach umfangreicher Beratung bestellt sich Sas einen »QQ Honeydew Green«-Tea. Weil das ein bisschen dauert, fragt Sas, was es denn mit der Kugel-Spuckerei auf sich habe. Das Manga-Mädchen erzählt, dass das ja wohl »voll eklig« wäre, wenn die Kunden die Tapiocka-Pearls einfach so in die Gegend spucken würden … »voll dreckig so und wir müssen den Dreck wegmachen - ähhhh.« Dann reicht das Mädchen Sas einen Hello-Kitty-Plastikbecher, verschweißt mit Abdeckfolie. Darin ist der Tee. Sas fragt sich, warum hier alles aus Plastik ist, und ob das alles nicht noch viel unappetitlicher ist als die kleinen Kügelchen auf dem Gehsteig.

Über die bunten »Fun-Drinks« sinnierend nuckelt Sas ganz entspannt an einem überdimensionalen Strohhalm. Plötzlich spürt sie glibberige Kugeln im Mund, und als sie zubeißt, tritt eine gallertartige Substanz aus. Sas spuckt! Und plötzlich kann sie verstehen, weshalb so viele Perlen auf dem Gehsteig zerplatzen, anstatt genüsslich auf der Zunge zu zergehen. Und dass das alles irgendwie tatsächlich ziemlich »ähhhh« ist. •


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