Kreuzberger Chronik
September 2009 - Ausgabe 110

Geschichten & Geschichte

Adolph von Menzel


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von Helmut Unverzagt

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Er gilt als nüchterner Chronist und als Vertreter des Realismus. Seine Meinung versteckte der Maler in einer Fülle kleiner Details.

ALS DER kleine Mann während der Unruhen der Märzrevolution von 1848 über Barrikaden klettern muss, um sein Domizil in der Ritterstraße in Kreuzberg zu erreichen, bedauert er zum ersten Mal in seinem Leben, »…kein großer starker Mann zu sein, der sich hätte nützlich machen können«. Die Angaben über seine Lebensgröße schwanken. Zwischen 134 und 140 Zentimeter soll sie betragen haben, vom Militärdienst wurde er wegen »Gnomenhaftigkeit« zurückgestellt. Doch der Kleinwüchsige lässt sich nicht aufhalten. Kaum in seiner Werkstatt angekommen, beginnt er sein Bild von der »Aufbahrung der Märzgefallenen« und hinterlässt damit nicht nur ein unersetzliches Zeitdokument, sondern setzt auch über 250 Toten des Aufstandes ein unvergessenes Denkmal. Zu dieser Darstellung der Auseinandersetzung gehörte ein beträchtliches Maß an Zivilcourage.

Der kleine mutige Mann war der Maler Adolph von Menzel. Es war wohl eine glückliche Fügung, dass er nicht im Kampf an vorderster Front fiel, sondern malte. Die unzähligen Bilder, Zeichnungen, Grafiken und Skizzen, die der selbst ernannte »Zaungast des Lebens« hinterließ, sind wertvolle Zeitdokumente, sein Platz in der Kunstgeschichte ist unumstritten. Selten gewürdigt wird der »Querkopf« als einer der Kreuzberger Veteranen des »Aufrechten Ganges«. Seine Biographie könnte sogar den Schluss zulassen, er sei einer jener vielen Künstler, die sich für Ruhm und Reichtum der Obrigkeit andienten. Immerhin begann sein beruflicher Aufstieg mit den Illustrationen zu einer Biografie Friedrichs des Großen, die nachfolgenden Aufträge vom Großbürgertum und dem Königshof verstärken den Verdacht.

Dem aufmerksamen Betrachter seiner Werke allerdings erschließt sich ein anderes Bild seiner Persönlichkeit. Schon seine Darstellung des Alten Fritz entsprach kaum den Vorstellungen des Königshofes, wonach der König in heroischer Herrscherpose dargestellt werden musste. Menzel dagegen betonte eine menschliche, weichere Seite des Regenten. Auch seine verbalen Äußerungen zu den bestehenden Verhältnissen sind unmissverständlich, ironisch und bissig. Als man ihn mit Orden, Titeln und Auszeichnungen überhäuft, kommentiert er knapp: »Dieser ganze Kladderadatsch!« Als sein Krönungsbild Wilhelms I. in Amerika ausgestellt wird, äußert er die Sorge um das Wohlergehen seines Bildes mit den Worten: »Ob……nicht eines Tages ein freier Mann mit `nem Stein in der Tasche die Ausstellung besuchen dürfte?« Und Otto von Bismarck, der ihm die Teilnahme an der Weltausstellung in Paris verbieten will, bescheidet er lakonisch: »……ich habe immer gewusst, was sich für mich schickt, und ich werde es weiter wissen!« Und stellt unbekümmert aus.

1866 reist Menzel als Kriegsberichterstatter in das Gebiet des Preußisch-Österreichischen Krieges. Er besichtigt Schlachtfelder, Stellungen und Lazarette und verarbeitet seine Eindrücke in Bildern, die seine pazifistische Einstellung zum Ausdruck bringen. Ein heroischer Heldentod in schmucker Uniform und mit dem Säbel in der Hand, wie man es von den herkömmlichen Kampfdarstellungen gewohnt war, ist auf Menzels Bildern nicht zu sehen. Schonungslos zeichnet er das Elend des Krieges, von Kanonenkugeln zerfetzte Freiheitskämpfer. Das Bild »Drei gefallene Soldaten« macht die ganze Sinnlosigkeit des »Heldentodes« deutlich. Und auf einem Gemälde, das Friedrich den Großen bei der »Ansprache vor der Schlacht bei Leuthen« zeigen sollte, blieb der große Feldherr ein weißer Fleck. Dennoch signierte er das Bild, als sei es fertig.

Auch seine Darstellungen des höfischen und großbürgerlichen Lebens sind voller pikanter Details. Auf dem Bild »Ballsouper« macht er sich über einen Offizier in Galauniform lustig, der mit dem Hut zwischen den Knien versucht, im Stehen essend, mit wenig Erfolg Teller, Messer und Gabel zu jonglieren. Er wirkt wie eine Karikatur. Auf dem berühmten »Flötenkonzert Friedrich des Großen« sieht ein Zuhörer gelangweilt und respektlos an die Decke. Auch die Damen der besseren Gesellschaft verschonte der kleine Mann nicht. Die Veröffentlichung zweier Holzstiche wurde vom Hof sogar verboten, da der Maler die polnischen Hofdamen, die den königlichen Gästen aus Berlin anlässlich ihres Besuches zur Zerstreuung angeboten wurden, so realistisch darstellte, dass es an der Eindeutigkeit des pikanten Angebotes keinen Zweifel geben konnte. »Vorsicht, Menzel geht um!«, sollen sich die Gäste festlicher Anlässe zugeflüstert haben, wenn der kleine Mann gesichtet wurde. »Kleine Excellenz« nannten ihn seine Bewunderer, »kleine giftige Kröte« die anderen.

Nur, wenn sich der Maler weniger vornehmen Zeitgenossen zuwendet, kommt er ohne Ironie aus. Dann sind seine Bilder detailgenaue Zeitdokumente vom Leben in der Stadt. Nur selten wendet sich von Menzel der Natur zu. Einmal aber muss der Maler einen Ausflug zum Kreuzberg unternommen haben, ein Bild zeigt den weinumrankten Hügel zwischen dem Dorf Tempelhof und der damaligen Luisenstadt. Nicht weit von dort, auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof an der Bergmannstraße, wird Adolph von Menzel im Februar 1905 begraben. 90 Jahre ist der kleine Mann alt geworden. Zehn Jahre zuvor würdigte Theodor Fontane den Mut des Künstlers »…als seine vielleicht schönste und größte Seite. Nie schwankend, wo es gilt, (…) ist ihm innerhalb der moralischen Welt alles Marchandieren fremd.« •

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