Kreuzberger Chronik
März 2008 - Ausgabe 95

Die Geschäfte

Das Küchlein in der Bergmannstraße


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von Hans W. Korfmann

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Der Tischlermeister Bernd Köppen, könnte man meinen, ist ein Mann fürs Grobe. Aber schon an der Hauswand seiner Werkstatt am Anfang der Bergmannstraße findet sich ein erster Hinweis darauf, daß der Mann ein feines Gespür besitzt: Köppen ist »Kunsttischler«, und ein Blick in seine Werkstatt beweist, daß er Liebe zum Detail besitzt. Daß es ihn darüberhinaus ständig nach Frankreich zieht, von wo er nie ohne Wein, Käse, Schnaps und Öl zurückkehrt, läßt zudem vermuten, daß er ein Feinschmecker ist.

Tatsächlich aber kümmerte sich der Tischlermeister bei der Einrichtung des Kochstudios vor allem um das Grobe. Er durchbrach Mauern, widmete sich dem Boden und den Wänden, »9 Monate haben wir hier herumgefuhrwerkt«. Auch beim Herzstück des Kochstudios mit dem klingenden Namen »Cucinatto« hat der Holzfachmann wohl ein Wörtchen mitgesprochen. Denn das Herz des »Küchleins« ist ein gewaltiger Herd aus Italien, eine funkelnagelneue Kochmaschine mit Backrohr, Wasserbecken, einem zusätzlichen elektrischen Backofen für jene Braten, die Temperaturschwankungen nicht vertragen. Ein Schmuckstück, und ein Traum für jeden Koch und jede Köchin. Einmal täglich bringt der Tischlermeister einen Korb Eichenholz für die Brennkammer. Und hat stets einen guten Ratschlag für jene Frauen parat, die im Cucinatto Dienst haben und bis dahin mit Holzöfen nichts zu tun hatten.

Foto: Michael Hughes
Foto: Michael Hughes

Ansonsten jedoch überließ der Mann die Einrichtung und Ausstattung des Souterrains seiner Frau, von der die Sage geht, daß sie eine ausgezeichnete und leidenschaftliche Köchin sei. Sie war es auch, die von gemütlichen Kochabenden in kleinen Runden träumte. Und von einer wunderbaren, ebenso praktischen wie schönen Küche. Jetzt ist Ursula Götz die unbestrittene Herrin eines Kochstudios, in dem sich alles findet, was der Gourmet zum kunstvollen Kochen braucht. Erst im September hat sie ihr Geschäft eröffnet, doch schon jetzt kommen die Leute aus der ganzen Stadt. Es hat sich schnell herumgesprochen, daß es hier gibt, was es sonst womöglich nirgends gibt.

Die »Kitchen Aid« aus den Vierzigerjahren zum Beispiel, diese amerikanische Küchenmaschine, die so groß und schwer und so unzerbrechlich aussieht wie ein Fleischwolf beim Fleischer. Es gibt nichts, was diese Maschine nicht kann, und weil Ursula Götz die legendäre »Kitchen Aid« sogar im Angebotspreis für ca. 500 Euro mit allem Zubehör anbietet – was nur noch die Hälfte des Normalpreises ist – hat sie fast alle Exemplare verkauft. Auch im umfangreichen Sortiment der französischen Edelpfannen von »Buyer« klafft bereits eine Lücke: Alle tiefen Pfannen sind offensichtlich unter den deutschen Christbäumen gelandet.

Die Designer-Knoblauchpresse für 39 Euro und all die anderen kleinen, aber glitzernden Küchengehilfen von Rösle gibt es wahrscheinlich auch in anderen Feinschmeckertempeln. Doch dieses auffällige Geschirr mit den rosa, hell-violett, hell-orange, hellblau-barbiefarbenen Kaffeepötten und Tellern mit weißen Punkten, dazu passend die gestreiften Löffel, Messer und Gabeln in denselben Farben, das ist einmalig! Auch der riesige, knallrote Toaster, der wahrscheinlich nicht nur Sandwichs toasten, sondern auch Steaks grillen kann, ist außergewöhnlich, so wie überhaupt einiges in diesem Souterrain Raritätswert zu haben scheint. So wie die versilberten Teekannen aus Porzellan zum Beispiel, »die gibt es sonst nur noch im Lafayette. Aber da sind sie nicht so schön.«

Natürlich braucht der Mensch nicht nur Küchengeräte. Er braucht auch Nahrung. Nun gibt es im Cucinatto aber weder französische Wildschweine noch finnischen Lachs. Doch gibt es jene kleinen Zutaten, mit denen Fisch und Fleisch, Saucen und Kuchen zum Kultobjekt geraten können. »Das Wichtigste«, sagt Ursula Götz, »sind diese Gewürze hier«, und geht einmal um den großen runden Tisch herum, in dessen Mitte »Das große Buch des Würzens« liegt – umgeben von lauter kleinen Dosen und Gläsern erlesenster Kräuter. Die hat Ursula Götz nicht aus Frankreich, sondern aus ihrer Heimat mitgebracht: aus dem Odenwald. Dort nämlich hat Ingo Holland vor einigen Jahren seinen »Colonialwarenladen« aufgemacht, dessen Gewürze und Gewürzmischungen es auf die Hochglanzseiten der Feinschmeckermagazine gebracht haben. In Paris, so heißt es, sei der Koch auf den Laden von Madame & Monsieur Izrael gestoßen, die Gewürze aus aller Welt verkauften. Nun gibt es sie auch in der Bergmannstraße.

Immer wieder führt die Spur aus den Regalen nach Frankreich. Die Essigkreationen, das Mandel-, Walnuß-und Haselnußöl kommen vom Land jenseits des Rheins. Das Olivenöl allerdings stammt von einem Bauern der Insel Lesbos. Und die getrockneten, malerisch in große Scheiben geschnittenen Steinpilze kommen von Ingo Holland. Auch die Obstbrände und Liköre in ihren großen Gläsern kommen nicht aus Frankreich, sondern von der sonnigen Bergstraße am Rand des Odenwaldes. Es sind gute Schnäpse, 300 Liter der hochprozentigen Getränke aus Sauerkirschen, Aprikosen oder Äpfeln sind in der Vorweihnachtszeit aus den Schläuchen in kleine Flaschen geflossen. Was aber fehlt zu allem Essen und Trinken, das ist der Tafelwein, den der Tischlermeister so oft für seine Freunde aus Frankreich mitbrachte. Es würde jedoch nicht verwundern, wenn eines Tages ein großes Faß Landwein neben der Tür stünde. Denn Holz und Wein gehören ganz unbedingt dazu zum Leben des Tischlermeisters.

So wie zum Essen das Trinken und wie zum Trinken das Rauchen gehören. »Rauchen, das ist überhaupt kein Thema«, sagt die Chefin des »Küchleins«. Das Rauchen gehörte in ihrer Vorstellung vom gemeinsamen Kochen und Essen mit Freunden im Souterrain neben dem knisternden Ofen mit den Holzscheiten immer dazu. Schon viele haben angefragt und wollten sich vormerken lassen für einen jener Abende, an denen dann Köche aus Frankreich, Griechenland, Italien, Schwaben – oder auch Hessen – in die Bergmannstraße kommen werden, sich an die große Küchenmaschine stellen und für eine kleine, aber feine Gesellschaft kochen werden. So gut vielleicht, daß man später noch lange davon erzählen wird: Von diesen Abenden im Souterrain des Tischlermeisters.

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