Kreuzberger Chronik
Juli 2008 - Ausgabe 99

Strassen, Häuser, Höfe

Das Grand Hotel Excelsior


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von Werner von Westhafen

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Es war luxuriös, zukunftsweisend, weltberühmt. Es überstand sogar die Bomben des Krieges. Dennoch ist es jetzt spurlos verschwunden.


Die Eisenbahn war lange erfunden, Schnellzüge verbanden die Metropolen Europas, die Bildungsreisen kamen in Mode. Eines der beliebtesten Reiseziele der Bourgeoisie war neben Paris, Petersburg und London die Stadt Berlin. Als am Askanischen Platz, gleich gegenüber dem Portal des Anhalter Bahnhofs und ganz in der Nähe des Potsdamer Platzes, das Grand hotel Excelsior eröffnete, gingen die Bilder von der palastartigen Fassade des Hauses um die Welt.

20 Jahre später wurde der größte Bahnhofstunnel des Kontinents eröffnet, die Zeitungen berichteten euphorisch: »Kaum dem Zuge entstiegen, sehen die Reisenden das Transparent des Excelsior-Tunnels leuchten und lenken ihre Schritte auf die beiden Fahrstühle zu, wo sie sofort von Beauftragten des Hotels empfangen werden. In einigen Sekunden sind sie auf der Tunnelsohle angelangt und können bequem durch den 100 m langen (…) Tunnel in die große Hotelhalle gelangen. Jene Reisenden, welche die breiten Bahnhofstreppen hinabgehen, bleiben, von der blendenden Lichtfülle des abendlichen Excelsior fasciniert, einen Augenblick stehen, um dann der hellerstrahlten Front zuzustreben«.

Man schrieb erst das Jahr 1928, doch das Hotel stattete den unterirdischen Zugang mit Palmen und Ruhebänken, Läden und Souvenirgeschäften aus, wie sie noch heute in Mode sind. Im Inneren des Excelsior befanden sich Boutiken und Salons für die Damen von Welt, das 1907 eröffnete Kaufhaus des Westens richtete eine eigene Filiale im Hotel ein.

Im Keller verbarg sich das luxuriöseste Hallenbad Europas, »unter einem Plafond aus Glasmosaik und Marmorverkleidung plätscherten die Besucher im Wasserbecken mit Fayenceplatten in grünlichen Glasuren, umgeben von Springbrunnen aus emaillierter Bronze und Glas. Unter Palmen bewegten sich Menschen zur Belebung ihrer Nerven in farblich aufeinander abgestimmten Räumen«, Frauen lagen nach dem Bade in den Schönheitssalons, und Dampfbäder, Massage-und Gymnastikräume waren der aristokratischen Gesundheit dienlich. Zwar gab es wohltuende Bäder schon bei den alten Griechen und Römern, doch die künstliche Badelandschaft des Excelsior war ihrer Zeit voraus und so etwas wie der erste »Wellnessbereich« der Welt. Während die Frauen ihre Körper pflegten, widmeten sich die Gatten der Pflege des Geistes und unterhielten sich mit den Journalisten an der »Herrenbar«, für die das Hotel mit seinen noblen Gästen eine Fundgrube war. Auch Fritz Lang, ernst Lubitsch und Heinrich George schätzten die Hotelbar des Excelsior und versorgten die Redakteure der hoteleigenen Excelsior-Zeitung mit jenem Stoff, der sich dann in den »Mitteilungen aus Salons und Bädern – selbstverständlich diskret und liebenswürdig« wiederfand. Der so genannte »Klatsch im Foyer« wurde sogar außerhalb des Hotels verkauft.

Foto: Postkarte
Das Excelsior war eine Ansammlung von Superlativen. Unter der Leitung Curt Elschners, dem Sohn eines Gastwirtes aus Thüringen, der das Haus 1819 gekauft hatte, stieg der Umsatz von 400.000 Mark auf 8 Millionen. Und während anfangs 60 Angestellte den Hotelbetrieb aufrecht erhielten, reichten diese später gerade noch aus, um die Zimmertelefone, Radioapparate, die Öfen und die Elektrik zu versorgen. Insgesamt arbeiteten mehr als 700 Angestellte im Excelsior, Köche und Kellner der zehn Restaurationen, hoteleigene Bäcker, Fleischer, Stenotypisten, Dolmetscher, Musiker, Blumen-und Zeitungsverkäufer, und die Bibliothekare für die 7.000 Bände der hoteleigenen Bibliothek. 1932 wurde ein Bierkeller eröffnet mit 1.500 Sitzplätzen, Brathähnchen und Eisbein. Das Bier ließ Elschner mit eigenen Lastwagen aus Bayern einfahren, die ständig unterwegs waren, da die lebenslustigen Gäste an guten Tagen ihre 8.000 Liter tranken.

Das Excelsior war eine Welt für sich, autark und stark. Es war das größte Hotel des Kontinents. Doch der erfolgreiche Hotelier hatte einen Traum: er träumte von einem »Wolkenkratzerhotel«. Wahrscheinlich hätte er auch diesen Traum verwirklicht, wenn die Nazis nicht in unmittelbarer Nachbarschaft das Gestapohauptquartier eingerichtet hätten. Als er sich weigerte, seine Räume der NSDAP zur Verfügung zu stellen und sie stattdessen an die Kommunisten vermietete, geriet er in Schwierigkeiten. Im Sommer 1933 wurde das Hotel mit »Parteiverbot« belegt, und als Elschner sich weigerte, Hermann Göring das Excelsior-Orchester auszuleihen, wuchs der Druck derart, dass Elschner ins Ausland flüchten musste.

Das Hotel selbst aber blieb von den Bomben verschont. Es waren die Nazis, die es auf der Flucht vor den Russen gleich mehrmals in Brand steckten. 1946 kehrt der Hotelier in die Heimat zurück, um endlich seinen alten Traum zu verwirklichen: Den Hotelturm mit 1.500 Betten. Doch in den Amtsstuben, in denen er seine Bauanträge stellen möchte, kennt den Besitzer des Excelsior schon niemand mehr. Im Juli 1954 beantragt er den Abbruch seines weltberühmten Grand-Hotels.

»Heute«, schreibt Waltraud schade in Geschichtslandschaft Berlin, »steht gegenüber dem Torso des Portikus vom Anhalter Bahnhof das Excelsior-Haus« – ein Haus, beinahe so hoch, wie Elschner es sich immer erträumt hatte. Allerdings ist es ein schmuckloses Wohnsilo. •

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