Kreuzberger Chronik
Februar 2008 - Ausgabe 94

Die Geschäfte

Amphoren aus der Fidicinstraße


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von Horst Unsold

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Daß Marek Foeller einmal in Kreuzberg landen würde, war vorhersehbar. Zum einen ist der Sohn des international bekannten Malers Peter Foeller im nahen Schöneberg aufgewachsen, und zum anderen hat sich der Sohn Zeit seines Lebens immer besonders für eines interessiert: für Musik. Und die spielt in Kreuzberg.

Deshalb zog Marek Foeller 1988 in die Bergmannstraße. Nicht weit, in der »Willibald Alexis«, in einem der besetzten Häuser, wohnten die meisten seiner Freunde. Und nicht weit war auch die Arndtstraße mit ihrer stillgelegten Fabrik im Hinterhof, deren eine Etage damals von verschiedenen Bands und Musikern zum Proben genutzt wurde. Auch Marek war oft dort. Manchmal waren sie zu sechst, manchmal zu zehnt, »Fusion Jazz« hieß das Zauberwort. Seit damals ist Marek Foeller Kreuzberger. Die kurze Zwischenstation in Prenzlauer Berg, wo er sich vorübergehend verliebt hatte, spielt nur eine unbedeutende Rolle.

Foto: Michael Hughes
Zehn Jahre später traf er Bob Ruthman mit seinem selbstgebauten Steel-Cello: Mit ihm gab Foeller Konzerte in Aalen und Berlin, und noch etwas später traf er den Obertonsänger und Gitarrist Daniel Pircher, der am 8. Februar im Kammermusiksaal auftreten wird. Noch heute machen Pircher und Foeller zusammen Musik, eine CD haben sie produziert. Und obwohl Marek Foeller im Gegensatz zu den anderen kein Profimusiker geworden ist, sondern Gartenlandschaftsarchitekt mit einem Büro und einem kleinen Laden voller Amphoren und Tonkrüge neben dem Café Primel in der Fidicinstraße, ist er im Grunde ein Musiker.

Denn auch, wenn er über Tonkrüge spricht, dann spricht er weniger über ihre Formen und Farben, Größen und Herkunftsländer, sondern er spricht über den Klang der amphorenförmigen, schlanken, langgestreckten oder kugelartigen Krüge. Auch, wenn er unterwegs ist, auf Kreta, in Marokko oder in Italien, dann hat er immer sein kleines Hämmerchen dabei, um den Ton zu prüfen. Denn je besser der Ton, um so besser der Ton. Ein feingesiebtes, gut verarbeitetes und sorgfältig gebranntes Material klingt wie eine Glocke, grober Ton dagegen hält den Klang keine Sekunde lang. Das scheint für unmusikalische Gartenbesitzer, die ihr Zitronenbäumchen im Sommer im Garten und im Winter im Wohnzimmer haben möchten, nicht von eminenter Bedeutung zu sein. Doch der Schein trügt: Je besser der Klang, um so robuster der Krug. Denn je kleiner die Poren, um so weniger Wasser saugt der Ton. Einen guten Tonkrug kann man deshalb auch im Winter noch im Garten stehen lassen, während der großporige bei ersten Minusgraden zu springen droht. Auch die weißen Kalkausblühungen, die so vielen Blumenfreunden auf die Nerven gehen, treten eher bei den großporigen Krügen auf. »Trotzdem sollte man mit Regenwasser gießen«, auch den Pflanzen zuliebe, von denen es viele nicht leicht haben mit dem kalkhaltigen Berliner Leitungswasser.

Der Handlungsreisende in Sachen Tonkrüge kann einiges erzählen. Begonnen hat die heimliche Leidenschaft schon früh, auf Kreta, wo der Vater ein Haus hat, in dem damals noch einige dieser riesigen Krüge herumstanden, die den Griechen in den entlegenen und stromlosen Dörfern zum Aufbewahren von Öl, Käse und Fleisch dienten. Erst in den Achtzigerjahren begannen sie allmählich aus den Küchen zu verschwinden. Heute sind die fast mannshohen Krüge zu Sammlerobjekten geworden, doch Foeller importiert keine alten »Pitharia«, auch wenn ihn der sammelnde Immobilienmakler ständig darum bittet. »Die sollen bleiben, wo sie hingehören!«

Trotz der Liebe zu alten Dingen wäre Foeller nie auf die Idee gekommen, kretische Tonkrüge zu importieren. Es war die Idee eines Kunden, der Keramikgefäße für seinen Garten suchte. Krüge waren Mangelware in Deutschland, weshalb Marek gleich ein paar mehr aus Kreta mitbrachte. Damit stellte er sich auf den Markt am Fehrbelliner Platz. Nach wenigen Stunden waren alle Krüge verkauft. Foeller wurde bei den wenigen kretischen Töpfern, die es noch gab, zu einem gerngesehenen Kunden. Immer öfter kam er jetzt mit seinem kleinen Transporter und kaufte ein.

Jahrhundertelang waren diese Krüge nur ein Transportmittel gewesen. Gefüllt mit Öl und Wein, versiegelt und gut verpackt, überquerten sie Meere und Kontinente. Es erschien dem jungen Geschäftsmann unsinnig, hohle Gefäße nach Berlin zu transportieren. Also begann er damit, sie mit Flaschen voller Öl und Gläsern mit Honig, mit Kräutersäckchen und Weihrauch und Paximadi, dem süßen griechischen Zwieback, zu füllen. Oder mit eingelegten Hyazinthenknollen und Kapernblättern. Bald war sein Stand auf dem Winterfeldmarkt einer der beliebtesten. Niemand in der Stadt hatte so ein Olivenöl. Schon im Januar, wenn die Ernte auf Kreta gerade erst begonnen hat, kommen die ersten Fläschchen in der Fidicinstraße an. Auf dem Tisch stehen drei kleine, weiße Schälchen mit grünem, duftendem Olivenöl, daneben auf einem Olivenholzbrett einige Scheiben Brot. Ein Stilleben.

Auch marokkanisches Öl hat Marek Foeller, »da werden die Oliven noch von den Frauen mit der Hand zwischen zwei Mühlsteinen gemahlen«. Aber das ist unbezahlbar, das hat der Händler gar nicht mehr in seinem Sortiment. Das hat er in seiner Küche. Aber er kann viel erzählen von den Krügen und den Ölen, die er fand, und von den Menschen und den Städten, von Fes, Marrakesch, Agadir. Von Italien und Kreta natürlich. Von seinen Reisen mit dem Lieferwagen, immer auf der Suche nach Dingen, die es in Berlin trotz fortschreitender Globalisierung noch nicht gab. Eigentlich waren diese Reisen viel zu lang und aufwendig. Das Ganze lohnte sich nur, »wenn man Spaß daran hatte«, wenn man auch in dieser bis in die letzten Winkel erforschten Welt noch ein bißchen vom Geist eines Entdeckers beseelt war. Und das war er. Reisen ist eine seiner Leidenschaften.

Eine andere ist die Musik. »Terrakottonium« nennt Marek Foeller das Instrument, mit dem er nun hin und wieder mit Pircher auftritt. Das Foellersche Percussioninstrument vereint endgültig zwei der wichtigsten Elemente in Foellers Leben: Musik und Tonkrug. Es besteht aus mehreren Terrakottagefäßen, die teilweise mit Wasser gefüllt werden, wie Glocken klingen, an Stricken hängen und mit Schlegeln oder auch mit den Händen gespielt werden. Doch selbst wenn Foeller eines Tages in der Philharmonie spielen und doch noch zum Profimusiker werden sollte: Er wird seinen Gärten, dem Öl, den Krügen und den Reisen nie den Rücken kehren.

Horst Unsold

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