Kreuzberger Chronik
Juni 2007 - Ausgabe 88

Die Geschichte

Hinckeldeys Untergang


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von Werner von Westhafen

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Hinckeldeys trotziger Auftritt beim Prozeß und die Reaktion des Gerichtes war, wie Fontane schrieb, eine Genugtuung nicht nur für Waldeck und das Gericht. Durch seine schroffe Art hatte sich Hinckeldey »vielseitig großen Haß zugezogen«, und »es erregte allgemeine Befriedigung, als im Prozesse Waldeck im Dezember 1849 der Präsident Taddel« den Polizeipräsidenten »Hinckeldey, der als Zeuge ohne Achtung vor dem Gericht auftrat, zwang, sich der Autorität desselben zu beugen.«

Die Blamage des Polizeipräsidenten warf auch auf den Innenminister von Manteuffel kein gutes Licht, denn er war der Initiator der Verhaftung gewesen. Hinzu kam, daß er »den energischen Mann« im November 1848 nur an die Spitze der Berliner Polizei gesetzt hatte, damit dieser Recht und Ordnung wiederherstelle in dem aus den Fugen geratenen preußischen Staat. Was aber Recht und Unrecht anging, hatte der ehemalige Jurastudent Hinckeldey und spätere »Auscultator im preußischen Justizdienst« eine merkwürdige Auffassung, die ihn am Ende sogar das Leben kosten sollte.

Für Ruhe allerdings hatte Hinckeldey dennoch sorgen können, und auch, wenn wieder nur der Innenminister hinter der ganzen Sache gesteckt haben sollte: Drei Jahre nach der Blamage im Gerichtssaal wurde zu Ehren Hinckeldeys ein Fest veranstaltet, auf dem immerhin 1.300 »angesehene Bürger« dem Polizeipräsidenten zu der Wiederherstellung der Ordnung in der Stadt gratulierten. Zum Ehrenbürger allerdings wollte man ihn nicht ernennen. Zu frisch war die Erinnerung an den Protest der Berliner, als man den unbeliebten Vorgänger Hinckeldeys, Eugen von Puttkamer, zum Ehrenbürger Berlins machen wollte. Tausende Berliner demonstrierten.

Nebenbei aber hat sich das politisch unkorrekte Polizeioberhaupt Hinckeldey um einige Novitäten in der Stadt verdient gemacht. Denn nicht nur in politischer Hinsicht räumte der Imperator auf: Hinckeldey hatte Alexander von Humboldt in Begleitung des Oberbaurats Eytelwein nach London und Paris geschickt, um sich dort nach Möglichkeiten umzusehen, den stinkenden, »jämmerlichen Rinnsteinen« Berlins ein Ende zu bereiten. Gemeinsam mit einem englischen Unternehmen baute im Auftrag Hinckeldeys der Landvermesser Johann Jakob Bayer dann die neue Berliner Kanalisation, »lebendige Adern der Reinlichkeit«. Auch Volksküchen, Gesindeherbergen, Bade- und Waschanstalten konnte der Polizeidirektor auf dem Konto seiner guten Taten verbuchen. Und nicht nur an der Spitze deutscher Reinlichkeit machte er sich einen Namen, sondern auch als »Feuerwehrhauptmann«. Nach dem Brand in einem Theater begann Hinckeldey konsequent mit dem Aufbau einer Berufsfeuerwehr und einer direkten Fernsprechverbindung derselben zur Polizei, was in der Folge nicht nur Häuser vor dem Einsturz, sondern auch Menschenleben rettete.

Doch so sauberkeits- und ordnungsliebend der Chef der Polizei auch gewesen sein mag: Bis heute verbindet sich der Name Hinckeldey mit dem des eigenwilligen Diktators. Selbst in der zurückhaltenden Allgemeinen Deutschen Bibliographie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Hinckeldey sich vor allem durch Rücksichtslosigkeit auszeichnete. Kaum durch von Manteuffel ins Amt gesetzt, unterstützte er zunächst den Führer des militärischen Flügels der Konterrevolution: General Wrangel. An der Seite des Generals trug er »mit größter Schärfe und Rücksichtslosigkeit dazu bei, den vollziehenden Behörden Achtung und ihren Erlassen Geltung zu verschaffen. (…) Im Amtseifer, verbunden mit den Hingebungen an die politischen Tendenzen des Ministeriums, verhängte er mitunter Maßregeln, ohne sich an die gesetzlichen Bestimmungen« zu halten.

Hinckeldey war eine Last. Er machte Adolf Glaßbrenner das Leben zur Hölle, (vgl. Kreuzberger Chronik Nr. 86), ließ Zeitungen bechlagnahmen und verschärfte die Theaterzensur, ohne, wie das Gesetz es vorschrieb, sich dazu die Erlaubnis vom Gemeinderat einzuholen. »Rücksichtslose Hausdurchsuchungen und ausgedehntes Spitzelwesen« wurden zur täglichen Polizeipraxis, Gefangene konnten ohne Genehmigung des Staatsanwalts von ihm persönlich in Untersuchungshaft gesetzt werden, und noch im April 1853 zog er gegen ein »demokratisches Komplott« ins Feld und stürmte, gegen den ausdrücklichen Einspruch des Magistrats, kurzerhand eine Maschinenfabrik in der Luisenstadt.

Immer wieder setzte sich der kleine Diktator über das Gesetz hinweg, und immer wieder verzieh man ihm. Auch im Volk, denn allmählich begann sich tatsächlich der Gestank aus den Rinnsteinen zu verziehen, das erste Wasserwerk war gebaut, und die Feuerwehr kam rechtzeitig. Auch König Friedrich Wilhelm IV., der den jungen Wilden einst ins Spiel gebracht und seinen Minister von Manteuffel auf ihn aufmerksam gemacht hatte, war äußerst zufrieden mit seinem Mann. 1853 machte er ihn zum Oberregierungsrat und später gar zum Rath 1. Klasse mit dem Titel einer »Exzellenz« und der Stellung eines Ministers.

Am Ende aber ging doch nicht alles gut. Nachdem allmählich Ruhe eingekehrt war im Land und die Polizei straff durchorganisiert, fühlte sich der kampfstarke Polizeichef offensichtlich nicht mehr ausgelastet. Auch kleine Anlässe schienen ihm nun Grund genug für große Aufregung. Es war eine Runde von Adligen, ein Berliner Jockeyclub, der dem König und dem Ordnungsfanatiker Hinckeldey schon seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge war. Denn die Adligen frönten, trotz eines ausdrücklichen Verbotes, im Hotel de Nord fröhlich dem Kartenspiel. Eines Tages ließ Hinckeldey der Spielerrunde Unter den Linden einen Besuch abstatten, doch die Adligen zeigten sich entrüstet. Der Gardeleutnant von Rochow war, wie die Vossische Zeitung schrieb, »so wenig damit einverstanden, daß er den Weg der Beschwerde betrat« und dabei Formulierungen gebrauchte, »welche der General-Polizeidirektor als beleidigend für sich ansehen zu müssen glaubte«.

Zwar hatte Hinckeldey vor gar nicht langer Zeit das Duellieren ausdrücklich verboten, doch glaubte er, sich an seine eigenen Gesetze nicht halten zu müssen. Am 10. März des Jahres 1856 also standen sich Exzellenz Hinckeldey und Leutnant von Rochow auf der Jungfernheide gegenüber. Hinckeldey hatte als Beleidigter den ersten Schuß, aber sein Revolver versagte. Man reichte ihm einen zweiten, mit dem er seinen Gegner sicher verfehlte. Um so besser traf von Rochow. An der Stelle, an der Hinckeldey starb, steht noch heute ein Gedenkstein. Auch das Denkmal seines vielleicht größten und hartnäckigsten Widersachers steht noch: Die Statue Waldecks in der Nähe der Oranienstraße.

Der Mörder des Polizeipräsidenten Hinckeldey wurde jedoch schon nach vier Jahren Festungshaft begnadigt. Die Ehefrau des herrischen und ungerechten Polizeipräsidenten Hinckeldey hatte für den Mörder ein gutes Wort eingelegt.

Werner von Westhafen

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