Kreuzberger Chronik
April 2007 - Ausgabe 86

Die Literatur

Friedrich Beckmann: Eckensteher Nante


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von Adolf Glasbrenner

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Friedrich Beckmann: Eckensteher Nante Det beste Leben hab ick doch, Ick kann mir nich beklagen, Pfeift ooch der Wind durchs Ärmelloch, Det will ick schon vertragen. Det Morgens, wenn mir hungern duht, Eß ick ’ne Butterstulle; Dazu schmeckt mich der Kümmel jut Aus meine volle Pulle.

Een Eckensteher führt uff Ehr Det allerschönste Leben, Man friert anjetzt zwar manchmal sehr, Doch bald is det zu heben. Von außen hau ick mit de Faust Mir in de Seit und Rücken, Un wenn een Scheegestöber saust, Muß Kümmel mir erquicken.

Ick sitz mit de Kam’raden hier, Mit alle, groß und kleene; Beleidigt ooch mal eener mir, So stech ick ihm gleich eene. Un drag ick endlich mal wat aus, So kann ich Groschens kneifen; Hol wieder meine Pulle raus Un duhe eenen pfeifen.

Am Weihnachtsfeste hab ick Ruh Von wegen meiner Ollen; Sie wäscht und plätt‘ und spült dazu, Un ick helf manchmal rollen. Un kommt der Christmarcht erscht heran, Gibt‘s allgemeinen Frieden: Sie macht Rosinenmänner dann, Un ick bau Pergemiden.

Ich seh manchmal, wenn große Herrn Hinein ins Weinhaus gehen, Da steh ick denn so still von fern, Duh uf den Kümmel sehen Un denk bei mir: ’s ist ganz egal, Ob Wein, ob Schnaps im Glase, Von beeden kriegt man allemal Doch eene rote Nase.


Ick brauche keen Vergnügen nich, Keen Tivoli un Bälle; Hält mir man meine Ecke Stich, Hab ick die schönste Stelle. Der Kümmel rutscht alleene hier, Verjagt mir jeden Kummer, Un hab ick diesen stets bei mir, Blüht immer meine Nummer.

Komm ick det Abends nu zu Haus, Will meine Olle brummen, So lang ick bloß die Pulle raus, Un gleich duht sie verstummen. Sie nimmt ’nen Schluck, un des beweist, Wie schätzenswert die Gabe; Der Kümmel is mein guter Geist, Durch den ick Ruhe habe.

Steh ick so an die Ecke nu, Un scheint die liebe Sonne, Da Semmel, Hering, Kümmel zu, Ach, det is eene Wonne. Kommt nu de Wache anmarschiert Mit Trommeln un Trompeten, Da geht, weil des den Nante rührt, Der letzte Sechser flöten.

Nee, nee, der Nante is nich dumm, Nachgrade kriegt er Bildung, Er dient ja stets dem Publikum, Des seht man an die Schildung. Zu Ihrem Dienst sehr gern bereit, Wenn Sie‘s befehlen, danz ick, Un hat der Nante Sie erfreut - Da jubelt zwee un zwanzig.

Sie können dreist uf Nanten baun, Habn Sie mal was zu dragen; Uff eens doch müssen Sie stets schaun, Des will ick Ihnen sagen. Ich drag zwar allens, leicht un schwer, Gradzu, ohn alle Pause, Doch bringen Ihre Gunst Sie her, Die drag ick mir zu Hause.


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